…würde ich tauschen wollen! Wieder einmal wird mir vor Augen geführt, wie gut wir es doch haben, hier in unserer Heimat leben zu dürfen, ein warmes, sicheres Zuhause zu haben. Spät abends klopft es plötzlich an der Küchentüre, welche eigentlich nicht der Hauseingang ist, daher schauen wir uns fragend an. Nach weiterem sich bemerkbar machen erhebe ich mich aus dem bequemen Sofa und sehe nach.
Die Frau kenne ich! Sie ist mit ihrem Mann damals im Nachbarhaus eingezogen, es ist das Flüchtlingsheim. Ihren Namen kann ich nicht aussprechen, denn sie kommt, wie sich später herausstellt, aus der Mongolei.
Ihr Deutsch ist inzwischen schon so weit, dass sie mir den Grund ihres Besuches erklären kann. Ich bitte sie herein. „Darf ich Ihnen etwas anbieten? Tee, Kaffee, Saft?“ Sie möchte nur ein Glas Wasser.
In ihrer linken Hand zeigt unser Gast eine dünne Mappe her, worin sich Unterlagen befinden, auch ein halb leeres Blatt nur mit der Überschrift: Definierung.
Schnell wird meinem Schatz und mir klar, was von uns gewünscht wird. Die Behörden verlangen eine Art Leumundszeugnis von uns Nachbarn, wir in der näheren Umgebung sollen bestätigen, dass es nichts gibt, was eine Auslieferung begründen könnte.
Das muss man sich einmal vorstellen: Du kommst von weit her, in derselben Kleidung, die du schon bei der Flucht getragen hast, ertrugst die Enge im Transporter, die Übelkeit während der Fahrt, erstens, weil es kein Fenster gibt, zweitens, weil du solchen Hunger hast und des Weiteren ist da noch die Angst.
Diese Angst erdrückt dich, weil du nicht weißt, wohin die Reise geht, oder ob du zurück geschickt wirst, Angst vor der ungewissen Zukunft, vor menschlicher oder wetterbedingter Kälte, vor den Fremden, die nicht deine Sprache sprechen, anders sind, anders denken, anders leben.
Was, wenn du auf der Straße landest, niemanden um Hilfe bitten kannst, – was, wenn alles umsonst war, wenn es doch besser gewesen wäre, daheim zu bleiben, die Zeit des Krieges abzuwarten, anstatt in fremdes Territorium einzutauchen?
Hier lasse ich wieder mein Bauchgefühl entscheiden, die Empathie hat gewonnen.
Mein Bester und ich sind uns wie immer einig. Die Beiden aus der Mongolei sind immer freundlich und nett, selbstverständlich unterstützen wir sie!
Auf dem weißen Blatt steht jetzt unser Name. Mit den besten Wünschen begleite ich sie wieder dort hin, wo sie ihre Schuhe auszog, zur Küchentür.
Später liege ich noch lange wach. Hoffentlich dürfen sie bleiben!
© Karin Ulrike Heiss 2023-01-24