Umarmt von meiner inneren Kriegerin

Rosaria Helfer

von Rosaria Helfer

Story

Fast ein Jahr hat es gedauert, bis ich mich wieder aus meiner eigenen Schockstarre befreien konnte. Ich habe nur noch irgendwie funktioniert. Meine Dienste irgendwie hinter mich gebracht, den Haushalt irgendwie geschmissen, für meine Tochter war ich körperlich anwesend – geistig jedoch oft verschlossen – und es war anstrengend mein gebrochenes Herz, meine Tränen vor ihr zu verbergen. Ich war auf kompletten Rückzug. Irgendwie war zu dieser Zeit mein Credo. Immer wieder schien mein Herz zu schreien – irgendwie, irgendwie kommt der nächste Tag, dann der nächste und ja irgendwie wirst du die Nacht übertauchen. Ich habe mich eingeigelt, um ja nicht angesprochen zu werden. Natürlich hat mein Umfeld gemerkt, dass was mit mir passiert ist. Sie haben auch gefragt und ich hatte damals meine kurze Antwort einstudiert – wie damals vor vielen Jahren dieses Gedicht in der Volksschule. Auswendig gelernt, die Worte und ja ich habe einstudiert, dass meine Stimme, während ich auf die Fragen meines Umfeldes antworte, ja nicht vor Schmerz bricht. Ein gutes Schauspiel auf Rückzug habe geliefert.

Eine Zeit lang hatte ich genug Kraft jedes Wochenende zu ihr zu fahren, die Diagnose, die sie erhielt, war niederschmetternd – ich habe so gehadert, dass genau sie – sie, die mit uns für die krebserkrankten Kindern kämpft – so eine maledeite Diagnose bekommt. Dann ging mir die Kraft aus, ich ließ mich entschuldigen – sagte ihr, dass ich für das Studium lernen musste und weniger Zeit habe. Natürlich musste ich meine rare Freitzeit für das Studium aufwenden, aber sie war mir immer wichtiger. Sie muss unendlich verletzt gewesen sein – ich hatte jedoch keine Kraft mehr. Sie starb und ließ mir durch gemeinsame Bekannte ausrichten, dass ich dem Begräbnis bitte fern bleiben solle.

Dann kam meine Schockstarre – ich habe mich eine Woche lang – jede Nacht durch diesen unerträglichen Schmerz geweint und tagsüber … ja tagsüber habe ich funktioniert.

So gingen die Monate dahin, der Schmerz brannte nicht mehr so stark – und dann sandte sie mir ihre Botschaft:“Komm‘ meine Kriegerin – lass mich mit dir weiterkämpfen“. Es hat mich wachgerĂĽttelt. Von heute auf morgen konnte ich diesen fĂĽr andere unsichtbaren bleischweren Mantel von meinen Schultern endlich abstreifen. Meine Schritte zwar immer noch mĂĽde im Nachklang, aber ich spĂĽrte ab diesem Tag diese unsagbare Kraft in mir. Eine geheiligte, eine nicht zerstörende Kraft, ein Licht, ein weises Wissen, dass ich immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort in Zukunft sein werde.

Heute, heute spĂĽre ich sie – Andrea – in meinen Gebeten. Ich habe ihre Silhouette sogar einmal kurz sehen dĂĽrfen. Sie hat mich so liebevoll angelächelt. Sie hat mich im Herzen umarmt – und meinte dann zu mir “Na meine Kriegerin – bist du bereit – komm’ lass uns weiterkämpfen!“

Im Gebet – im Licht – im Herzen liebe Andrea wirst du immer bei mir sein, bis zu meinem letzten Atemzug.

Photo by Shifaaz Shamoon/Unsplash

© Rosaria Helfer 2021-02-07

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