UN-Diplomat läuft nackt durch Wien!

Walter Weinberg

von Walter Weinberg

Story

Ich saß in der U-Bahn und entdeckte in der Zeitung vom 20.11.2007 ein Foto von Michael. Die Headline neben dem Foto war: „UN-Diplomat läuft nackt durch Wien!“ Im Bericht erfuhr ich von Michaels mysteriösem Verschwinden. Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Zum 1. Mal las ich seinen vollen Namen: Aeryn Michael Gillern. Im Zeitungsbericht wurde aufgerufen, sich mit Hinweisen an die Polizei zu wenden. Anscheinend wusste niemand, was mit ihm geschehen war, außer dass er am 29.10. völlig nackt aus der Gay-Sauna Kaiserbründl gelaufen war.

Er war also nach wie vor Stammgast in der Gay-Sauna. Dass er nur hinging, weil er sich das Wasser für seine Körperrasur nicht leisten konnte, hatte ich ihm nie abgenommen. Wie Armin erzählte, leistete er sich eine tolle Wohnung mit super Aussicht und Terrasse. Er verdiente wohl genug Geld bei der UNIDO in der UNO-City.

Da Michael auch am 2. Tag nach seiner Flucht aus der Sauna nicht an seinem Arbeitsplatz erschienen war, kontaktierte sein Vorgesetzter seine Mutter Katheryn in den USA. Da sie Michael nicht erreichen konnte, reiste sie unverzüglich nach Wien. Es war bereits der 4. Tag nach seinem Verschwinden, als sie ankam.

Zusammen mit Michaels Freund Pasi traf sie vor Michaels Wohnung zum 1. Mal auf die ermittelnden Beamten, die ihr berichteten, dass Michael um 18:50 nackt aus der Sauna gerannt war. Wie sich herausstellte, war diese Zeitangabe nicht haltbar, da Michaels letzte SMS um 19:27 an Pasi ging. Michael schrieb, dass er gerade 10 Minuten mit Arnisa telefoniert hatte und bald nach Hause fahren und zurückrufen werde! Die Beamten unterstellten Pasi, auf seinem Handy eine falsche Zeit zu haben. Sie sahen noch unter dem Bett nach und rückten das Sofa zur Seite, bevor sie sich verabschiedeten. Eine Vermissten-Anzeige konnte Michaels Mutter nicht aufgeben, da sich die Wiener Polizei bei US-Staatsbürgern als nicht zuständig erklärte. Erst auf Druck des Außenministeriums, bei dem die UNO intervenierte, wurde der Fall aufgenommen.

Ein Sicherheitsbeamter der UNO rief Katheryn am nächsten Tag an, dass sie so schnell wie möglich auf die Polizei-Dienststelle kommen soll, da der Fall trotz widersprüchlicher Angaben abgeschlossen werden soll. Sie wurde im verrauchten Büro der ihr bereits bekannten Ermittler herablassend behandelt, als wäre sie eine Verbrecherin. Sie bekam kaum Luft im Raum wegen des Zigarettenrauches und wurde mit beleidigendem Tonfall gefragt, ob sie stolz darauf sei, dass ihr Sohn Mr. Gay Austria war. Die Polizei präsentierte Katheryn die Lösung des Falles: Michael geriet in eine Auseinandersetzung in der Gay-Sauna und rannte nackt Richtung Donaukanal. Michael sei HIV positiv und hätte sich deswegen spontan mittels Sprung in den Kanal umgebracht. Sie nannten die Todesursache daher einen „Spontanen Selbstmord“. Die Beamten erklärten der Mutter, dass Schwule allgemein sehr instabil sind und es ständig zu diesen spontanen Selbstmorden von Homosexuellen kommt.

© Walter Weinberg 2021-08-03

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