von Thomas Paar
Für zig Jahre blieb er im Hintergrund. Ich beachtete ihn nicht, da ich nicht einmal wusste, dass er für mich so früh überhaupt relevant sein könnte. Doch vor ein paar Jahren wurde ihm unbewusst ein kleiner Spalt zur Tür in meinem Leben geöffnet. Diese Chance nutzte er eiskalt aus. Unsichtbar und lautlos kam er mir immer näher. Nutzte jede Möglichkeit, egal wie klein sie auch war aus, um seine Macht über mich zu verstärken. Sein klares Ziel trieb ihn voran, machte ihn stärker. Ich kämpfte dagegen an, tue es heute noch. Der Erfolg hält sich in Grenzen, aber meinen Willen, ihm nicht kampflos das Feld zu überlassen, kann er mir nicht nehmen. Dennoch ist er unermüdlich. Ich weiß, dass ich ihn nicht aufhalten kann. Doch bin ich fest dazu entschlossen, mit aller Kraft, die ich aufbieten kann, ihm ein ebenbürtiger Gegner zu sein. Mit den andauernden Jahren und meinem steigenden Alter merke ich, dass er mir immer näher kommt. Ich kann seine Präsenz spüren, wie ein eisig kalter Windhauch, der einem die Nackenhaare zu Berge steigen lässt. Es ist keine Resignation, aber mit der Dauer ist die Einsicht gekommen, dass durch meine Bemühungen keine Besserung eintreten wird. Nichtsdestotrotz kann ich versuchen, eine Verschlechterung aufzuhalten und auf meinem jetzigen Standard zu bleiben. Zumindest so lange, wie es mir möglich ist. Irgendwann werde ich die weiße Fahne hissen, und mit der mir bis dorthin gebliebenen Würde meine Kapitulation eingestehen. Doch bis es soweit ist, vergeht hoffentlich noch eine ganze Weile. Bis zu diesem Zeitpunkt werde ich ihm weiterhin jeden Tag aufs Neue die Stirn bieten, während der körperliche Zerfall unaufhaltsam näher kommt.
© Thomas Paar 2022-05-22