Unbedarfte Nachhilfe am KĂŒchentisch

Markus Szaszka

von Markus Szaszka

Story

Spazieren gehen und Gedanken jonglieren. Wie der junge Clown es auf dem Zebrastreifen tut wĂ€hrend Autos warten. Ich glaube, zu viel mehr bin ich nicht mehr zu gebrauchen. Andere meiner Art, mit ihnen zu sprechen, das ist schwierig. Meistens hören sie mich nicht. Ich bin zu leise, das war schon immer so. Es ist nicht einfach, mich zu verstehen – spreche in fremden Zungen. Davon, dass alles gut ist. Davon, dass man nicht viel braucht.

Freunde wurden zu Bekannten, die meistens mit Arbeit beschĂ€ftigt sind, ĂŒber die sie fluchen. Sie fluchen ĂŒber den Partner, ĂŒber den Nachwuchs, ĂŒber das Alter. Im Grunde fluchen sie, weil das Gift sie vergesslich macht. Erinnerungen an das große Spiel sind rar geworden. Einst hatten die Tage mehr zu bieten als gut geölte Handgriffe. Ein bisschen Wagemut, Utopie, Aufbruchstimmung. Und so bleiben nur noch FlĂŒche. Beschwörungen. Bumerange.

»Du brauchst eine neue Jacke«, sagt die Frau zum Mann. »Aber nicht die, eine normale, was denken sonst die Nachbarn« -, mit denen sie noch nie gesprochen. »Und gehen wir Butter kaufen. Wir haben nur noch zwei WĂŒrfel zu Hause.«

Viel haben sie zu tun, keine Zeit fĂŒr mich. Das ist in Ordnung. Von außen drauf sehen, das genĂŒgt. Dennoch: Die Pumpstation meines Kreislaufs zieht mich in Richtung trautes Heim, Richtung weihnachtlichem Familientrubel, Richtung KinderhandschĂŒhchen und unbedarfter Nachhilfe am KĂŒchentisch. Es zieht mich dorthin, wo ich fĂŒr andere sein darf. Es zieht mich dorthin, wo andere sind. Doch nicht um jeden Preis. Und manchmal frage ich mich, ob ich solchen GemĂŒtsbewegungen noch einmal Glauben schenken sollte.

Es gab eine Zeit, da hatte ich all das – gemeinsames Kochen am Heiligabend, Staunen ĂŒber gemeinsam entdecktes Neuland, das Aufschieben einer TĂ€tigkeit, weil der andere etwas braucht.

Und dann war das weg.

Und dann war ich weg.

Weg bin ich bis heute, anders; mir ist ein Zacken aus der Krone gebrochen. Kein König mehr. Ein einsamer Landstreicher im Begriff, Reife zu erlangen. Ich sehe hinein in den Abgrund, verschließe meine Lider nicht. Mein Schatten ist dunkler geworden, zwei Jahre lang. Ich versuche ihn hinter mir zu lassen. Und wenn er vor mich springt, muss ich hinsehen. Er will gesehen werden. Will im Mittelpunkt stehen.

© Markus Szaszka 2022-06-09

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