von MonaLena
Es ging einfach nicht ohne! Jeden Sommer mussten wir ins Ferienlager fahren. Immer der mittlere Turnus, immer mit den liebsten Freunden und jedes Jahr wieder die selben Dramen! Es gab kein Jahr, in dem nicht furchtbar schreckliche Dinge passierten, die wir Kinder wenig ernst nahmen, Erwachsene aber in wahre Bedrängnis bringen konnten. Eigentlich könnten das Schlagzeilen in einem Schmierblatt sein:
Betrunkener Betreuer findet Toilette nicht und pinkelt fieberndem Kind in der Krankenstation auf das Kopfkissen! Oder: Rassistische Mutter kratzt bei Besuch im Camp einem Betreuer die Wange blutig, sie findet es eine Zumutung, ihr Kind in einem Zimmer mit dunkelhäutigen Kindern vorzufinden! Weiters: Geschwister aus ärmlichen Verhältnissen mit nur zwei frischen Unterhosen für drei Wochen Ferienlager vorgefunden! Und dann noch: Läusealarm im Feriencamp- Alle 250 Kinder müssen gewaschen, gekämmt, kontrolliert, wieder gewaschen und nochmals gekämmt werden!
Auch das hier: Betreuer nach einer Woche nach Hause geschickt, da er weinende Kinder in der Nacht im dunklen Wald „strafe-stehen“ ließ. Und sowas: Betreuerin freiwillig nach wenigen Tagen abgereist, weil Mitarbeiter im Namen ihres rebellischen Kindes mehrere Scherznachrichten in der Campzeitung inserierten, wie: „Ich wünsche mir zu Weihnachten eine Kettensäge! David (4 Jahre)“
Der exzessive Wettbewerb im „Knutschflecken sammeln“ musste unter Androhung von Strafen unterbunden werden, da Eltern bereits befürchteten, ihre Kinder würden im Camp Misshandlungen ausgesetzt sein. Und: Im Rahmen des Diskussionskreises „Sexuelle Übergriffe im Kindes- und Jugendalter“, bewahrheitete sich die Statistik, dass jedes dritte Mädchen mit derartigen Erfahrungen konfrontiert wird, nachdem die Kinder offen ihre Erlebnisse erzählten.
Trotzdem gilt: Das Rauchen unter sechzehn Jahren MUSS eingestellt werden! Auch „heimlich hinter dem Haus“ ist ab jetzt nicht mehr erlaubt. Betreuer werden angehalten den Kindern keine Zigaretten mehr zu geben! Und: Eltern werden gebeten ihren Kindern genügend Taschengeld mitzugeben, so dass sich diese nicht genötigt fühlen ihre Zimmerkollegen zu bestehlen.
Kinder mit Liebeskummer mögen sich bitte ihren BetreuerInnen anvertrauen oder zumindest mit FreundInnen sprechen, bevor sie versuchen sich von Bäumen zu stürzen oder weg zu laufen. Auch ein Anruf bei den Eltern darf gerne in Anspruch genommen werden!
Und trotzdem! Es ging einfach nicht ohne! Wir waren jedes Jahr glücklich dort, wir wollten nirgends lieber sein und die Welt wäre für uns untergegangen, hätten wir nicht ins Ferienlage fahren dürfen. Die Postkarten nach Hause strotzten vor Urlaubsfreude! Da waren wir lebendig, da waren wir frei, da waren wir mitten im verrückten Leben! Aber: „Was im Ferienlager passiert, bleibt im Ferienlager!“, sagt ein alter, weiser Spruch. Und so wollen wir es auch in Zukunft halten…
© MonaLena 2019-07-01