Und es begab sich …

Sonja M. Winkler

von Sonja M. Winkler

Story

Seit mein Sohn ausgezogen ist, und das ist schon gut 20 Jahre her, bin ich kein Fan von Weihnachten. Der Medienrummel (kaufen, kaufen, kaufen), das Gedudel in den Kaufhäusern, all das ärgert mich schon seit Jahren. Und nicht einmal hab‘ ich mir im Nachhinein gedacht, das Hetzen von Geschäft zu Geschäft, die ganze Einkauferei, das hätte ich mir schenken können.

Schenken. Die gängige Bedeutung hat sich vom ursprünglichen Wortsinn recht weit entfernt. Ich liebe deswegen die Etymologie so sehr, weil sie das Wahre und Echte des ursprünglichen Sinns zum Vorschein bringt. Im 9. Jahrhundert bedeutete skenken noch „jemandem etwas zu trinken geben“. Und gleich fallen uns Wörter ein wie Schank und Schankwirt. Ich kehre sommers nach einer Troppberg-Wanderung gerne in der Laabacher Schenke ein. Dort kredenzt man hausgemachten Birnensaft. Und in diesem Moment schenk ich mir ein Tässchen Ingwertee ein.

Weihnachten war früher bei uns ein bescheidenes Fest. Am Nachmittag des 24. Dezember machte Opa mit uns Enkelkindern einen Spaziergang. Wir stapften durch den Schnee. Manchmal hatten wir auch den Schlitten dabei, und wir durften uns abwechselnd drauflegen und uns ziehen lassen. Auf dieses Ritual freute ich mich immer, weil es das Warten auf die Bescherung verkürzte.

Als ich in die Volksschule ging, schrieb ich jedes Jahr einen Brief ans Christkind, in dem ich beteuerte, ein braves Mädchen zu sein. Ich fügte ein paar Zeilen hinzu mit den Wünschen meines Bruders, der noch nicht schreiben konnte, und ich erinnere mich, dass seine Wünsche ausufernder waren als meine. Ich wünschte mir meist Dinge, die ich ohnedies brauchte. Einen Anorak, einen Malkasten, Ölkreiden, etwas für den Kaufmannsladen, Lesestoff.

1962 bekam ich meine erste Füllfeder, denn zu Ostern, so sagte die Lehrerin, würden wir beginnen, mit Tinte zu schreiben. Ich war sehr stolz auf meine Füllfeder, weil mein Name eingraviert war. Mein erstes richtiges Schreibgerät war ein rot-schwarz marmorierter Kolbenfüller der Firma Pelikan. Das Einsaugen der Tinte war anfangs eine Patzerei. Tintenpatronen gab‘s noch nicht. Der Füller hatte ein Reservoir und ein kleines Sichtfenster, das anzeigte, ob noch genügend Tinte im Füller ist.

Von den vielen Bäckereien, Kuchen und Keksen, die meine Mutter in mit Papierservietten ausgelegten Schuhschachteln aufbewahrte, mochte ich den Besoffenen Kapuziner am meisten. Lange vor Weihnachten wurden Kuchenbrösel und altbackene Kekse gesammelt, die die Basis der Teigmasse bildeten. In Stücke geschnitten, wurde der Besoffene Kapuziner mit Glühwein übergossen. Kein Wunder, dass uns ganz schnell warm ums Herz wurde, noch bevor sich die 45er-Single auf dem Plattenteller drehte und wir Karl Heinrich Waggerls Geschichten lauschten.

© Sonja M. Winkler 2021-12-16

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