Und es hat Boom gemacht – Racial Profiling (3)

Erdim Özdemir

von Erdim Özdemir

Story

Mittlerweile könnte ich mit den Polizist*innen per Du sein, so gut kennen wir uns schon. Der häufigste Grund sei meine Insulinpumpe – das Gerät, dass ich 24/7 tragen muss, damit ich nicht abkratze. Folgendes Szenario:

P: Was ist das?

E: Eine Insulinpumpe. Ich bin Diabetiker. Ich habe hier ein Attest von meinem Diabetologen.

P: Wir müssen dich trotzdem einmal untersuchen.

Ganz ehrlich, wenn mir nach körperlicher Nähe sein sollte, buche ich einen Flug (sorry Greta Thunberg) und lass mich einfach dort von den Polizist*innen begrabschen. Racial Profiling ist mein Fetisch.

P: Jetzt noch dein Gerät. Ok, ist nicht gefährlich. Du kannst weiter.

E: Danke, hab euch sehr lieb. Bis zur nächsten Grabbelei. Danke für diesen Ego-Push.

Natürlich kann ich mir vorstellen, dass eine Insulinpumpe geprüft werden muss. Das Ding könnte nun einmal ein Fernzünder sein, der mich zeitgleich mit Insulin versorgt. (Wäre doch eine super Nischenidee, oder Elon Musk?). Doch ich frage mich: Wie würde dieses Szenario ablaufen, wenn es jemand Weißes wäre, der nicht meinem Phänotypen entspricht.

Weiter geht’s: Jener besagte Polizist wollte meine Tasche durchsuchen, da er es angeblich musste. Müssen, da ich optisch ins klassische Profil passe. Wie dumm und unüberlegt von mir sich einfach in eine Masse von weißen Menschen mit meinen schwarzen Haaren zu begeben und ich stracks meine Tarnung aufgebe. Offensichtlicher kann ich ja einen Anschlag nicht verüben. Manno man. Hamburg ist anonym. Bis auf meine Freundin juckte es keinen, dass ich zur Seite gezogen wurde. War es, weil Hamburgs Ethniencocktail mich tarnte oder weil es für alle um mich herum selbstverständlich gewesen ist, dass mir das widerfuhr?

Die Luft wurde schwerer, als er meinen Rucksack öffnete. Ich fühlte mich gedemütigt. Dass ich eine potenzielle Gefahr mit meinem kleinen Rucksack darstelle, während hunderte von Menschen mit zahlreichen Souvenir-Tüten eintrudelten, war mir schleierhaft. Er blickte rein und was soll ich sagen? Es waren nur Bücher zu sehen. Sorry, dass ich mich gerne weiterbilde, hast du wohl nicht gedacht, oder? Sorry für die Enttäuschung. Als hätte er meinen gedachten Sarkasmus gehört, streute er Salzkristalle mit spitzen Kanten in diese Wunde der Demütigung, als er mit seinen dreckigen Pfoten mein Handyladekabel herauszog. Die Worte haben sich bis heute in meinen Gehörgang gegraben und übertönen meinen Tinnitus:„Ach na sieh mal einer an, was ich hier habe? Dein Bombenkabel hast du aber gut versteckt. HA HA HA HA HA.“ BOOM. Die Explosion sprengte sämtliche Gesetze der Zeit. Nichts bewegte sich um mich herum. Die Zeit stand still und um mich herum flogen all die Bilder, die mir zeigten, welche Erfahrungen ich mit Rassismen in meinem Leben erfahren musste und wie andere meiner Mitmenschen es ebenfalls mussten.

© Erdim Özdemir 2021-02-21

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