von AlexanderWolf
Es war weit bevor, ich aufgehört hatte unbewusst Turnschuhe zu tragen. Der Tag, an dem wir uns zum ersten Mal getroffen hatten, war ein Ebenbild, dessen an dem ich jetzt hier stehe, ein Freitag am Ende des Jahrzehnts, im Sternzeichen Löwe: dickköpfig, kraftvoll, starsinnig und voller Hingabe.
Wir haben selten darüber gesprochen, über diesen Tag, über unser erstes Aufeinandertreffen in der stickigen Befangenheit: Ein Ort mit Café im Namen, der sich stets aufs neue als Bar erwies und gar kein Kaffee im Angebot hatte. Hier stand die halbe Gästescharr für gewöhnlich auf der Straße und zeigte keinerlei Reaktion auf einen zunehmenden Schauer oder eine schlagartig reduzierte Temperatur an Tropennächten. Präziser: Sie dehnten die Ladenfläche um ein Drittel aus. Es wurde kollektiv geraucht, ausnahmslos.
Warst du jemals dabei, als die Anwohner es nicht mehr an sich hielten? Die Eimer Wasser entluden sich dutzendweise über die Unerwünschten, die Ruhestörer, eine schnellere Art der Beschwerde, direkte Demokratie sozusagen.
Der Wirt demonstrierte Gelassenheit, in einem Interview in der Tageszeitung erst vor wenigen Monaten, gar freudig, sagte er, so sei es im lieber, besser als hinter dem Rücken zur Polizei zu rennen. Als spielten Erwachsene stille Post, beim letzten kommt dann doch nie die Wahrheit an. “Da ist ein Eimer mit kaltem Wasser die bessere Wahl. Da weiß jeder voran er ist. Hinterher kommt man ins Gespräch, so kann man was verändern auch, wenn sich schlussendlich dennoch nichts änderte.” Aber hier zählte der olympische Gedanke oder zumindest so ähnlich.
Du wirst fragen, ob es einen Grund gibt. Du wirst fragen, wieso ich zurückgekommen bin, ich würde abwarten, auf ein Visuelles – ja bitte – und dann würde ich sagen, am liebsten wäre ich gar nicht erst, aber manchmal hat man nicht die Wahl und ich würde sagen, dass ich über die Zeit sprechen werde, über unsere Zeit und dies kannst du als Anlass nehmen. Es wird einer der Alternativen entsprechen. Um diese Möglichkeit hatten wir uns damals gebracht. Du hast geschwiegen und ich habe es respektiert. Nur sehe ich jetzt keinen Grund mehr dazu. Ich denke, so wird es sein, in erster Linie.
Blumen habe ich dir mitgebracht; Nelken, sonnengelb, Margariten in optimistischem Orange, das unnütze Grün habe ich ausgelassen. Blumen, die du selber gerne verschenkt hattest. Entschuldige die scheußliche Vase, nur war die Auswahl denkbar knapp, so viel dazu. Komm, setz dich mit mir auf die Bank, unter der Eiche. Die dicke Blätterkrone schützt uns gegen den Blick von oben. Ihr Holz ist rissig, untersetzt von Moos. Wasserflecken vom Regen der vergangenen Jahrzehnte verteilen sich gleichsam auf der Sitzfläche. Sie wird trotz alldem unseren Ansprüchen genügen. Der Tag ist fast noch Nacht, es fehlt ihm an der Schwüle, die kriechend mit zunehmenden Stunden unseren Willen beherrschen wird. Es ist zu früh, um gestört zu werden. Die Stadt wälzt sich noch verschlafen um Kaffeetassen. Wir haben Zeit.
© AlexanderWolf 2021-04-07