Und jetzt auf Reha

Walter Lepuschitz

von Walter Lepuschitz

Story
Kärnten 2025

Einem Prospekt, der fĂĽr die minimalinvasive Operationsmethode und die dabei verwendeten „Ersatzteile“ wirbt, entnehme ich, dass ich im Normalfall nach RĂĽcksprache mit dem behandelnden Arzt nach acht bis zehn Tagen wieder Auto fahren könnte. Mein mich operiert habender und jetzt behandelnder Arzt sieht das ganz anders. Nach dem Klinikaufenthalt erst einmal zwölf Tage Heilung und Mobilisierung, danach drei Wochen REHA. Und dort bin ich jetzt. Mit dicht gedrängten, bis in den Nachmittag hinein reichenden Therapieplänen und weiten, weitgehend unterirdischen Wegen. Von Haus 1 ins Haus 5 und wieder zurĂĽck, bisher an einem Tag drei Mal – und derzeit noch mit KrĂĽcken. Zum GlĂĽck folgt auf Haus 2 gleich Haus 5. Ich bin dem Architekten ungeheuer dankbar, dass er die Häuser 3 und 4 ganz woanders hingebaut hat, wie wohl auch mit unterirdischen Gängen verbunden, aber gottseidank fĂĽr mich nicht relevant. So können sich die Wege an einem Tag auch so durchaus auf 7000 Schritte summieren.

Geblieben ist mir vorerst die Auflage, dass der Winkel im Gelenk zwischen Oberkörper und Oberschenkel bis zum Ende der REHA niemals kleiner als 90 Grad sein darf. Das schlieĂźt selbständiges Zubinden der Schuhe und Aufheben von auf den Boden gefallenen Gegenständen aus. Der Zugriff zum Mineralwasser im KĂĽhlschrank geht sich gerade noch aus. Da die TherapiemaĂźnahmen das Tragen eines Kompressionsstrumpfes auf der operierten Seite zwingend vorsehen, bin ich zum An- und Ausziehen auf „schwesterliche“ Hilfe angewiesen. Wie auch bei dem einen Socken, den anderen schaffe ich selbst. Das abendliche passive Ausziehen des Strumpfes passiert ĂĽblicherweise zur Zeit-im-Bild im Fernsehen, das ebenso passive Anziehen um dreiviertel sechs in der FrĂĽh. Da sollte ich schon geduscht haben. Auch am Sonntag, wenn keinerlei Therapien auf dem Programm stehen. Und so freue ich mich schon auf das erste Wochenende – ohne Kompressionsstrumpf und ohne Wecken (und Duschen davor) zu unchristlicher Zeit!

Wie viele Patientinnen und Patienten gerade hier zu Kur und Reha sind, finde ich in keiner Publikation. Aufgrund der Mitarbeiterzahl von mehreren Hundert ist der Schluss auf vierstellig sicher nicht ganz daneben. Aber die, denen ich täglich begegne, sind bereits unvorstellbar viele. Und mit meinem Alter dĂĽrfte ich durchaus im Durchschnitt liegen. Ein Erlebnis vor einigen Tagen ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Ein Herr der geschätzten Altersklasse 80+ beklagt sich bei einer weiĂź bemäntelten Mitarbeiterin, dass er noch keinen Plan erhalten hätte und deshalb nicht wĂĽsste, wohin und wozu er tags darauf zur Therapie mĂĽsste. Die Dame informierte ihn, dass er den Therapieplan des nächsten Tages auf einem der Drucker im Therapietrakt mit seiner Zimmerkarte selbst ausdrucken könnte. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir, er hat nur „Bahnhof“ verstanden. Auch mit dem Hinweis, er könnte den Plan auch ĂĽber die hauseigene App auf das Smartphone laden, trug nicht zu mehr Klarheit bei. Den verzweifelten Gesichtsausdruck des alten Herrn richtig deutend, drĂĽckte sie die Ruftaste fĂĽr den Lift und sagte: „Kommen Sie mit, ich zeig’s Ihnen.“


Bild: istockphoto

© Walter Lepuschitz 2025-03-29

Genres
Romane & Erzählungen
Stimmung
Herausfordernd