Und schlechtes Wetter gibt es doch!

Story

Kennt ihr diese Leute, die sich an kühlen Herbsttagen bei leichtem Nieselregen oder scharfem Wind rucksackbepackt, walkingstöckebewaffnet, bergbeschuht und mit unerträglich fröhlichem Grinsen, meist im Zustande fortgeschrittener Jugend und gleich in ganzen Gruppen aus der Straßenbahn wälzen, hier an meiner Endstation, von der es nicht allzu weit in den Wienerwald ist, und frohen Mutes, rotbackig schon zur Morgenstunde, ihre geplante Wanderung antreten? Der Wetterbericht hat ihnen wohl Besseres versprochen, aber geplant ist geplant und das wird dann auch gnadenlos durchgezogen, denn manche behaupten allen Ernstes, es gäbe kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung.

Ich hingegen stehe da in meinen immer zu dünnen Schuhen, frierend und zitternd trotz mehr als angemessen dicker Kleidung und will nur stadteinwärts fahren, denn nie und nimmer würde mir einfallen, bei solch einem Wetter in den Wald zu gehen. Und wenn es zu sehr regnet, verschiebe ich sogar meine Stadtexpeditionen, denn schlechtes Wetter mag ich nicht und das schlechte Wetter mag mich nicht, denn während andere bei scharfem Wind und Kälte das bekommen, was meine Großmutter immer “eine gesunde Farbe” nannte, werde ich ganz grau und bleich und sehe aus, als könnte ich einen Schnaps vertragen oder eine Herzmassage.

Der Herbst dieses Jahres ist wettermäßig eine Zumutung, und wäre ich nicht ein so nüchtern denkender Mensch, würde ich glatt glauben, dass der Wettergott mit Putin unter einer Decke steckt – und das möge man sich einmal bildlich vorstellen -, um uns zu zeigen, wie abhängig wir von einer guten Heizung sind. Aber gut, das Wetter ist, wie es ist, einmal zu heiß, dann wieder zu kalt, und nie ist es richtig. Die Existenz schlechten Wetters zu leugnen, ist glatter Selbstbetrug. Ich jedenfalls bin nicht wind- und wetterfest und wasserfest ist höchstens meine Wimperntusche.

Sobald es kühl wird und ich trotzdem manchmal meinen Platz hinter dem Ofen verlassen muss, stehe ich vor nahezu unlösbaren Problemen. Das beginnt bei den Schuhen, denn ich neige zu unvernünftigen Modellen und besitze vorzugsweise Schuhe, die nicht wasserdicht sind. Ob Schuhe wasserdicht sind, kann man nur in der Praxis testen, und das zögere ich immer so lange hinaus, bis ich mich im Schuhgeschäft nicht mehr beschweren kann, dass die gegebenen Versprechen wieder nicht eingehalten wurden. Meine Schuhe sind immer irgendwo undicht.

Weiters besitze ich keine vernünftige Regenbekleidung, weil sie mir nicht gefällt. Ich nenne aber diverse hübsche Schirme mein Eigen, teils zum Knirpsformat klappbar, die angesichts des in Wien sehr häufigen Windes die Tendenz haben, sich umzudrehen, und wenn das mit einem Schirm ein Mal passiert, passiert es immer wieder, denn dann sind quasi seine Sehnen überdehnt.

Fazit: Es gibt schlechtes Wetter, es gäbe auch vernünftige Kleidung dafür oder dagegen, aber die haben nur alle anderen. Ich leider nicht, weil ich sie nicht haben will.

© 2022-09-30