Es ist schon ein eigenartiges Gefühl, den Dom von Frombork (Fareuneburg) zu betreten, wo sich die Wende vom Mittelalter zur Neuzeit vollzog, wo endgültig Abschied genommen wurde vom geozentrischen Weltbild, wo Kopernikus die Erde zu einem Planeten unter vielen machte. Während die katholische Kirche diese Ansicht zunächst verbot, Giordano Bruno dafür 1600 auf den Scheiterhaufen brachte und Galilei zum Widerruf zwang, konnte Kepler sie 100 Jahre später ungestraft veröffentlichen.
Nikolaus Kopernikus [eigentlich Niklas Koppernigk – Nicolaus Cop[p]ernicus, posthum polonisiert Mikołaj Kopernik (1473-1543)] war Domherr des Fürstbistums Ermland in Preußen, Astronom und Arzt, der sich auch der Mathematik und Kartographie widmete. In seinem Hauptwerk beschreibt er das heliozentrische Weltbild. Danach dreht sich die Erde um die eigene Achse und wie die anderen Planeten um die Sonne. Dies war die „kopernikanische Wende“ – der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Kopernikus war der Sohn eines Kupferhändlers und Schöffen in Thorn und seiner Frau Barbara Watzenrode. Die Familie Koppernigk gehörte zum deutschsprachigen Bürgertum der Hansestadt Thorn im Kulmerland. Sein Bruder Andreas wurde wie Nikolaus Domherr in Frauenburg, seine Schwester Barbara Äbtissin im Kloster Kulm. In Bologna studierte Nikolaus Griechisch und Astronomie, lernte neue Theorien über die Bewegung der Planeten kennen und studierte in Padua Medizin und Jura. Schon während dieser Zeit wurde er als Scholastiker an die Kreuzkirche in Breslau berufen. Nikolaus und sein Bruder Andreas wurden Bevollmächtigte des Frauenburger Domkapitels in Rom.
Kopernikus beobachtete mit recht einfachen „Hilfsmitteln“. So sind von ihm nur 63 eigene Beobachtungen bekannt, auch weil er in Frauenburg mit der Natur zu kämpfen hatte: „Wegen der Dünste“ der nahen Weichsel gelang es ihm nie, den innersten Planeten Merkur zu sehen. Deshalb griff er oft auf Beobachtungen seiner Zeitgenossen zurück. Sein Hauptwerk stützt sich zudem auf antike Daten und baut auf den Erkenntnissen von Nikolaus von Kues und Regiomontanus auf. Kopernikus’ Freunde versuchten, ihn zur Veröffentlichung seiner astronomischen Arbeiten zu bewegen, was er erst kurz vor seinem Tod 1543 mit seiner Schrift „De revolutionibus orbium coelestium“ („Über die Umschwünge der himmlischen Kreise“) vollzog. Er zögerte auch, weil seine teilweise ungenauen Berechnungen der Planetenbahnen, die auf der Vorstellung des Aristoteles vom Kreis als einem idealen harmonischen und vollkommenen mathematischen Gebilde beruhten, nicht durch Beobachtungen gestützt werden konnten und er deshalb eine Ablehnung durch das Establishment befürchtete. Der britische Historiker Kearney vermutet die Verzögerung damit, dass in der neupythagoreisch-esoterischen Tradition wichtige Wahrheiten nur mathematisch Gebildeten und nicht der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden durften.
Sein Kosmosmodell wurde, sobald es bekannt wurde, von Katholiken und Protestanten (!) ignoriert und fand nur bei den Neuplatonikern Zustimmung. Sie vertraten die Ansicht, dass man bei der Bewegung einen Luftzug spüren müsse und dass fallende Gegenstände eine schiefe Bahn haben müssten.
© Heinz-Dieter Brandt 2023-08-05