von Judith Steinbach
02.September 2024, 08:50
Ich rannte durch den Korridor. Keine Ahnung wie, aber ich hatte es schon wieder geschafft zu spät zum Kunstunterricht zu kommen. Als ich die Klasse betrat, suchte ich mit einem schnellen Blick den Raum nach meiner besten Freundin, Helena, ab, doch ich konnte sie nirgendwo entdecken. Stattdessen blieb mein Blick an einem Jungen hängen. Er hatte schwarze, gelockte Haare und Augen, die so dunkel waren wie die tiefste Nacht. Schnell schüttelte ich meinen Kopf und versuchte meine Gedanken neu zu ordnen. Bevor ich weiter suchen konnte, riss mich die Professorin aus meinen Gedanken. Sie wies mir den Platz links neben dem Jungen zu, der mir vorhin ins Auge gestochen war. Er war ein wenig größer als ich und überragte mich um einen Kopf. Ich setzte mich und lächelte ihn schüchtern an. Neben mir blieb ein Platz frei und ich war unbeschreiblich erleichtert, als sich neben mir Helena niederließ. Ich holte meine Farbpalette heraus und legte sie zwischen mich und sie. Als plötzlich der Junge neben mir auf meine Schulter tippte und fragte: „Kann ich mir dein Schwarz ausborgen?“ Ich nickte und reichte ihm die Farbe. Danach zeichneten wir beide konzentriert an unseren Arbeiten weiter. Die Aufgabe war es, eine Seifenblase so realistisch wie möglich zu zeichnen. An sich war ich nicht schlecht in Kunst, aber solche Aufgaben hasste ich. Immer wieder blickte ich verstohlen zu dem Jungen neben mir, während meine beste Freundin mir alles über ihre Ferien erzählte und über den wunderschönen Sternenhimmel, den sie in den Bergen gesehen hatte. „Aja, ich habe etwas für dich“, sagte sie irgendwann. Ich sah auf. Sie reichte mir einen kleinen Traumfänger, er war schwarz und türkis und Muscheln waren daran befestigt. Ich lächelte und meinte: „Danke, der ist wirklich wunderhübsch“ „Damit deine Träume endlich mal wahr werden“, raunte sie und ich knuffte sie liebevoll in die Seite.
Sie war eine aufgeweckte Person, voller Abenteuerlust und Elan, wovon ich eher das Gegenteil war. Ich war ruhiger und dachte oft zu viel über alles nach, aber ich glaube dies war auch der Grund, wieso wir so gute Freundinnen waren.
Doch bevor wir noch irgendetwas sagen konnten, sagte jemand hinter mir: „D-u-u“ Ich drehte mich um und sah direkt in zwei dunkle Augen. Er reichte mir die Farbe wieder. „Danke“, meinte er. Ich nahm die Farbe und sah ihn einen Augenblick lang an, dann sagte ich: „Ich habe auch einen Namen!“ „Welchen den?“, fragte er. „Lia“, sagte ich.
© Judith Steinbach 2025-01-27