Ungewollt Voyeur

Als wir nach unserer Rückkehr aus Venedig etwas später als sonst das Restaurant unseres Hotels betraten, ging es dort schon sehr lebhaft zu. Unsere geschätzten Gesprächspartner aus Südtirol hatten sich zu unserem Bedauern nach dem Frühstück von uns verabschiedet. Wegen des schlechten Wetters drohte Erdrutschgefahr in ihrem Ort. Das war ein guter Grund nach Hause zu fahren. Viele neue Gesichter begegneten uns nun. Ein größerer Gästewechsel hatte stattgefunden.

Eine Großfamilie mit sechs Erwachsenen und vier Kindern dominierte den Raum. Mehrere Tische waren zusammengerückt worden, zwei Kinderwagen für die Kleinsten standen daneben. Während das Baby im Wagen geschuckelt wurde, saß ein weiteres Kleinkind in einem Hochstuhl. Vor dem kleinen Jungen breitete sich ein größeres Sortiment an Spielsachen aus. Damit wollte man ihn offenbar bei Laune halten. Gelang das nicht, weil das Angebot zu groß war und die Auswahl schwerfiel, wurde das Kind in den bereitstehenden Wagen gesetzt und entweder vom Papa oder der jungen Mama aus dem Restaurant geschoben. Das ereignete sich in einem immer wiederkehrenden Wechsel. Irgendwann sprang die Oma ein, damit die jungen Eltern auch etwas zu sich nehmen konnten. 

Ich muss gestehen, das Gebaren an den zusammengerückten Tischen nahm mich ganz schön gefangen. Ich versuchte mir die Familienkonstellation vorzustellen. Da gab es sportlich wirkende Großeltern, die sehr um ihre Kinder, Schwiegerkinder und Enkel bemüht waren. Die Mama der beiden Kleinsten stöckelte in Highheels und engem Rock durch die Räumlichkeiten. Es beeindruckte mich sehr, wie sie dabei ihre langen blonden Haare nach hinten warf und die Aufmerksamkeit aller auf sich zog. Der Vater der Kinder nahm sich nicht zurück. Nein, auch er zeigte, wie gut er die Situation mit zwei kleinen Kindern im Griff hatte und beim kleinsten Muckser handelte. Beide waren im Wechsel mit ihren Kindern beschäftigt. Das Paar mit den beiden älteren Kindern, die mit Sicherheit bereits im schulpflichtigen Alter waren, verhielt sich eher unauffällig. Die etwa siebenjährige Tochter stand ab und zu auf, um dem kleinen Jungen im Hochstuhl ein Spielzeug zu reichen. Hin und wieder gelang es einem der Erwachsenen, dem Kleinen etwas Essbares in den Mund zu schieben.

Bei all der Ablenkung vergaß ich ganz zu erwähnen, dass man uns neben ein neu angereistes Paar aus Duisburg platziert hatte. Ein Gespräch mit den sehr sympathischen Leuten ergab sich erst, nachdem die Großfamilie gegangen war. Ich muss gestehen, ich war etwas erschöpft vom Zuschauen.