von Patrick Muczczek
Ich sitze in der Kita und schaue meinem kleinen Bruder zu. Er malt an einem Tisch und die Betreuerin freut sich, als er sein Papier zu ihr dreht und sie fragt, ob sie nicht auch etwas malen wolle. Sie zeichnet eine kleine Zitrone an den Baum, den er gemalt hat.
Meine Hände sind noch schwarz von der Arbeit, wie damals. Nur diesmal spricht mich keiner an. Keiner kann mich sehen.
Er springt auf, rennt zu den Spielzeugautos und spielt mit Ihnen. Der kleine Ferrari flitzt ohne irgendwelche Regeln über einen Teppich, auf dem eine Stadtkarte gedruckt ist. Damals hatte ich mich zu ihm gesetzt und mitgespielt. Ich habe damals einen kleinen Monstertruck ausgesucht und so getan als ob ich ihn verfolgen würde, bis ich seinen kleinen roten Sportwagen erwischte. Aber das kann ich jetzt nicht mehr.
Mittlerweile ist das immer der Punkt, an dem ich gehe, bevor ich anfangen muss zu weinen. Ich greife nach dem Kleinen und würde ihn eigentlich berühren, aber meine Hand gleitet durch ihn hindurch.
„Ich liebe dich. Ich treffe mich jetzt mit Mama und wir holen dich später ab.“
Ich laufe durch die Kita und rieche das Mittagessen, das sie für die Kinder gekocht haben. Ich beneide sie jetzt wie damals – die Luft ist leicht fettig, hier wurde etwas frittiert. Bis heute weiß ich nicht, was sie an dem Tag serviert bekommen haben. Aber ich laufe die kurze Treppe hinauf und gehe.
Plötzlich wird meine Hand gegriffen. Mein kleiner Bruder schaut mich mit großen Augen an. Das ist neu.
„Geh nicht.“
Ich kann einfach weiterlaufen, meine Hand gleitet durch seine.
„Du bist nicht echt. Es tut mir so leid.“
Nachdem ich blinzle ist er weg und ich verlasse die Kita, ohne mich von der Betreuerin zu verabschieden, wie ich es damals getan habe.
Ich setzte mich ins Auto. Meine Hand zittert als ich den Schlüssel drehe und es starte.
Ich schaue nicht in den Rückspiegel, obwohl er perfekt eingestellt ist. Ich schaue auch nicht in die anderen Spiegel. Ich bin so müde von der Nachtschicht. Ich ziehe einfach rückwärts aus der Einfahrt.
Und erfasse eine Frau mit voller Wucht.
Mama hatte vergessen, dass ich heute dran bin ihn in der Kita zu besuchen und liegt jetzt reglos auf dem Asphalt.
Ich wache auf und fühle mich wie Ungeziefer.
Ich will morgen nicht wieder einschlafen.
© Patrick Muczczek 2022-08-09