Unnütze Worte bringen unnütze Taten

Lorenz Clementi

von Lorenz Clementi

Story

Der Handelsbetrieb wuchs von Jahr zu Jahr und wir hatten jetzt durch die guten Lagerungsmöglichkeiten bis ins späte Frühjahr hinein Äpfel zur Verfügung. Das bedeutete zwanzig und mehr Frauen zum Sortieren, zwei Männer fürs Magazin und vier, fünf Mitarbeiter in der Landwirtschaft. Jetzt musste unbedingt eine Schafferin bei den Sortiererinnen her!

Der Pepi stellte die Tante Anna, eine Schwester unseres Vaters, an und gewährte ihr Familienanschluss. Sie hatte Erfahrung auf dem Gebiet, denn sie war immer schon in verschiedenen Obstmagazinen tätig gewesen. Damit hatte er vier Frauen im Hause, aber es war ja Platz genug da und zum Glück kamen sie gut aus. Ich war die meiste Zeit zu Mittag bei ihnen, denn erstens war die Oma Irma eine ausgezeichnete Köchin und zweitens brauchte ich nicht nach Hause zu fahren, denn zwischen mir und Pepi war immer viel zu besprechen.

Soviel ich konnte, half ich auch dem Siegfried in der Landwirtschaft. Es war wichtig, dass unter uns Brüder immer wieder über das Weitere diskutiert wurde. Dazu trafen wir uns immer bei unseren Eltern. Sie sollten ja auch mitbekommen, wie es weiterging. Wir Brüder waren ziemlich verschieden und das äußerte sich auch im Umgangston. Wenn die Sache wiedermal zu eskalieren drohte, kam der Dämpfer von unserem Vater, der da sagte: „Halt Buben! Unnütze Worte bringen unnütze Taten!“ Die viele Handarbeit machte uns halt müde und zerrte an unseren Nerven.

Zum Beispiel hatten wir eines Tages einige Lkws zu verladen. Der Verlademeister, der Bepi-longo, wie wir ihn alle hießen, der Lange, fast zwei Meter groß, stapelte kunstgerecht jeden Kofferwagen voll. Er hatte immer einen rechteckigen 40 x 20 cm Holzhammer bei sich, mit dem er kleine Stapelfehler korrigieren konnte. Mit der Stechkarre brachte ich ihm die Steigen, die eine Frau vom Lager der sortierten Ware holte. Der Lange hatte Routine im Verladen und wusste genau, wie man die Steigen drehen musste, damit kein Spielraum an der Seite des Kofferwagens blieb. Aber gerade heute hatten wir einen Lkw mit 2 oder 3 cm engerem Kofferraum erwischt und der Lange war schon längst ins Schwitzen geraten und der Verladerhythmus stockte immer wieder. Ich wusste, dass hier Ruhe bewahren und still sein das Beste war. Der Pepi, der vom kleinen Wiegeraum aus sah, dass da etwas nicht stimmte, kam heraus und gab dem Langen immer wieder gut gemeinte Ratschläge. Ich sah das Unheil nahen, aber es war zu spät… Der Lange schleuderte den Holzhammer mit einer solchen Wucht die sieben bis acht Meter auf den Pepi zu. Dieser machte zum Glück eine Seitenwendung, der Hammer schlug auf die Magazinmauer auf und grub ein Loch hinein. Verschwitzt und mit hochrotem Gesicht kam der Lange vom Kofferraum heraus, fluchte fürchterlich und sagte: „Wenn du schon so alles besser weißt, dann mach dir doch den Scheiß selbst!“ Setzte sich auf die Rampe nieder und ließ den Zorn abflauen… Der Pepi war verschwunden, ich sah ihn den ganzen Tag nicht mehr.

© Lorenz Clementi 2023-04-19