Unschuldig im Knast

Lorenz Graf

von Lorenz Graf

Story

Ende der 1960er Jahre waren in Wien drei Gefängnisanstalten in der Bevölkerung bekannt. Das eine war das „Ansa“ („Einser“), das Landesgericht an der Ecke Alserstraße und Landesgerichtsstraße. Das andere war das „Zwara“ („Zweier“) am Hernalser Gürtel. Das dritte war die „Lisl“, die Rossauerkaserne unten an der Rossauer Lände.

Eines Morgens holte mich meine Zimmervermieterin, die gute alte Frau H., zum Telefon. „Die Polizei ruft an! Hast du was angestellt?“

„Ich doch nicht, das wissen sie doch. Ich bin ja ihr fleißiger Student.“ Das beruhigte sie und sie gab mir den Hörer des Telefonapparates.

„Hier spricht Polizeihauptwachtmeister N. Sind Sie der Herr Lorenz? Kennen Sie einen Herbert L.?“ Ich bejahte. „Ich verbinde Sie.“ Aus dem Hörer kam die Stimme meines Freundes: „Servus, der Herbert hier. Kannst du mich abholen? Ich bin in der „Lisl“. Und nimm einen Ausweis mit.“

Einen Freund, ganz gleich, was er angestellt hat, lässt man nicht im Stich und so machte ich mich auf den Weg in den Knast. In der Rossauerkaserne irrte ich vom Portier weg in mehrere Zimmer. Nirgends hatten sie eine Ahnung von einem Herbert L., bis ich endlich doch Erfolg hatte. „Ja, der Herbert L. wurde festgenommen und wurde inzwischen ins „Zweier“ überstellt. Über sein „Verbrechen“ bekam ich keine Auskunft, da ich ja kein Advokat war.

Im Landesgericht klärte sich alles rasch auf. Ich musste vorher beteuern, dass ich Herbert aus der Gymnasiumzeit kenne und er ein Journalist werden will. Sie brachten ihn und er durfte als freier Mann mit mir das Gefängnis verlassen.

Doch warum wurde er verhaftet? Zufälle sind manchmal überraschend dumm. Er hatte ein kleines Zimmer in der Innenstadt, wollte ein paar Biere holen und ging mit leeren Flaschen hinaus auf die Straße.

Herbert:“Da waren viele Menschen und ich war neugierig, was da los ist. Plötzlich wurde ich an den Armen von zwei starken Männern gepackt und in ein Auto verfrachtet. Sie nahmen mir die „gefährlichen Molotowcocktail“ ab und brachten mich in die „Lisl“, wo ich verhört und über Nacht eingesperrt wurde. Da erfuhr ich, dass ein hoher Gast auf Staatsbesuch vorbeifuhr, als ich mich mit den Flaschen unter die Menge mischte. Zwei „Geheime“ haben mich dann festgenommen, weil sie glaubten, ich plane ein Attentat. Als sich alles aufgeklärt hatte, durfte ich dich anrufen. Ich war entlastet und entlassen.“

Die Moral davon: Warte mit dem Bierholen, bis der Staatsbesuch vorüber ist. Abwarten und Wein trinken.

© Lorenz Graf 2020-07-10