Unser geliebter Apfelbaum

Seelenbaumler

von Seelenbaumler

Story

Jahrelang führten unsere neu gepflanzten Obstbäume ein Mauerblümchendasein. Nur wenige Früchte entwickelten sich zur vollen Reife. Die meisten verfaulten oder fielen wurmstichig zu Boden. Meine Frau und ich waren mit anderen wichtigen Dingen des Lebens wie Familiengründung, Kindererziehung, Beruf und vielem mehr beschäftigt. Für die Pflege des Gartens und seiner Gewächse nahmen wir uns im Gegensatz zu heute nur wenig Zeit.

Nach und nach gingen Bäume ein und mussten entfernt werden. Lediglich der Apfelbaum erwies sich als zäh, wuchs rasch und spendete immerhin Schatten.

Bald unternahmen unsere Kinder erfolgreiche Kletterversuche auf dem Apfelbaum. Ab diesem Zeitpunkt entwickelte er sich zu ihrem Spielplatz. Nägel wurden eingeschlagen, Äste abgebrochen, eine Baumhütte gebaut, eine Schaukel angebracht. Die freudige Nutzung und intensive Bearbeitung durch unsere Kinder verlieh dem Apfelbaum eine zusätzliche Bestimmung.

Dieser Umstand tat ihm offensichtlich gut. Sein Wachstum verstärkte sich zusehends. Seither können wir uns im Frühling an seiner wunderschönen, herrlich duftenden Blütenpracht erfreuen. Im Schatten seiner laubreichen Äste genießen wir im Sommer den wunderbaren Rundblick. Mit den zahlreichen köstlich schmeckenden, wurmfreien Bio-Äpfeln versorgen wir unsere Familie und die Nachbarschaft. Meine Frau verarbeitet die reichen Ernten mit Begeisterung zum Wohle der Familie zu Apfelmus, Dörrscheiben und Apfelstrudel.

Unser Apfelbaum bildet in der Tat das Herzstück unserer mit großer Freude geschaffenen Gartenanlage. Seine Energien strahlen aus und verhelfen den anderen Gewächsen zu Wachstum. Für die zahlreichen Vögel, Bienen und Insekten ist er eine willkommene Nahrungsquelle und ein gesuchter Aufenthaltsort.

Etlichen Windböen hielt er bereits stand. Auch dem starken Sturm am letzten Freitagabend. Dachten wir jedenfalls, bis wir am Samstag seine bedenkliche Schräglage bemerkten. Mehrere große Äste ragten weit in das Nachbargrundstück hinein. Eine weitere kräftige Windböe würde ihn zum Umsturz bringen.

Als einzige Möglichkeit blieb, die Feuerwehr zu rufen. Diese traf rasch ein. Nach kurzer Besichtigung machten sich die Mannen ans Werk und sägten die schwersten überhängenden Äste fachgerecht ab. Versehen mit unserem herzlichen Dank und einer großzügigen Spende rückten die freundlichen, engagierten Helfer wieder ab.

Da standen wir wehmütig, immer noch geschockt vor unserem geliebten, jetzt deutlich gestutzten, alten Apfelbaum. Wird er überleben? Weiterhin das Herz unseres Gartens sein? Bange Fragen. Der einsetzende Regen passte gut zu unserer Stimmung. Betrübt gingen wir ins Haus.

Vom Wintergarten aus betrachtete ich unseren Apfelbaum, sprach ihm von Herzen unsere Wertschätzung, unseren großen Dank, ja unsere Liebe aus. Munterte ihn auf mit den Worten: „Du wirst überleben!“ Ja, so wird es sein.

© Seelenbaumler 2021-08-04

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