von Sonja M. Winkler
Manche Studierende schaffen es, sich für ihre Prüfungen vorzubereiten, indem sie ausschließlich aus Skripten und Büchern lernen. Für mich war dieser Weg nie Ersatz für persönlichen und unmittelbaren Kontakt. Ich lernte am leichtesten, wenn ich mir im Team, zu zweit oder mehrt, Stoff erarbeiten und anderen etwas erklären bzw. Fragen beantworten musste. Heute ist es noch genauso. Erst im Kontakt spüre ich meine eigene Sicherheit oder ob ich auf Glatteis tanze.
Schon im Studium merkte ich, dass es für mich wichtig war, bei den Vorlesungen anwesend zu sein, nicht nur, um nach meiner eigenen Mitschrift lernen zu können, sondern auch, um die Vortragenden zu beobachten, zu spüren. Körpersprache, Mimik und Stimme verrieten oft, worauf sie Wert legten, was abgefragt werden würde.
Der Lehrberuf zwang mich, mich ein Leben lang damit auseinanderzusetzen, auf welchen Gebieten meine Fähigkeiten liegen, was ich gut kann und wo ich an meine Grenzen stoße. Ich habe auch ein untrügliches Gespür für die Kompetenzen anderer. Blender hingegen entlarve ich schnell.
Ich halte Unsicherheitskompetenz in einer Zeit, in der wir mit so viel Information wie noch nie zuvor bombardiert werden, für extrem wichtig. Ich meine damit nicht nur die Fähigkeit, mit der Unwägbarkeit der äußeren Umstände umzugehen, sondern auch die Fähigkeit, die eigene Unsicherheit halbwegs sicher einzuschätzen.
Wenn ich unsicher bin bzw. weiß, dass ich etwas nicht weiß, dann frage ich jemanden, den ich für kompetent halte, und lasse mich belehren. Ein einfaches Beispiel: In einem Text auf Story.one kam die Abkürzung SUP vor, die ich nicht verstand. Ich fragte im Kommentar, aber wurde nicht aufgeklärt. Ich vergaß zu googeln. Ich dachte mir, that’s obviously a newfangled contraption and it’s probably an English abbreviation. Bingo.
Gestern erzählte mir mein Sohn, er habe sich ein SUP zugelegt. Er gibt mir eine genaue Beschreibung und erklärt mir die Verwendung eines inflatable Stand-Up Paddling Boards. Es ist aufblasbar. Man steht darauf, paddelt oder gleitet auf den Wellen. Ihm macht’s Spaß, und die Muskeln des ganzen Körpers werden beansprucht. Er zeigte mir ein Foto seines SUPs.
Jetzt bin ich im Bilde. So funktioniert Lernen, und das nicht nur im Kindesalter. Unsicherheit wird beseitigt durch Erklärung, Veranschaulichung, Handreichung einer Regel.
Bezüglich ss/ß-Schreibung herrscht auf Story.one große Unsicherheit.
Die Regel, die für Deutschland und Österreich gilt, ist einfach:
• Nach kurzem Vokal steht immer ss, z. B. der Prozess, Insassen, Genuss, lassen, er lässt.
• Nach langem Vokal und Zwielaut (ei, au, eu, äu) finden wir „scharfes“ ß, z. B. grüßen, draußen, genießen, Straße, der Scheiß, ich weiß, büßen, zu Fuß.
• Wörter mit s haben in allen ihren paradigmatischen Formen ein s. Demzufolge muss das Präteritum von „lesen“ „las“ lauten und die 2. Person „liest“, weil die deutsche Sprache s und ß/ss streng auseinanderhält.
Voilà!
© Sonja M. Winkler 2020-07-14