von Laura Schäffner
Anton arbeitet viel und endlich scheint es ihm Spaß zu machen. Nachdem New York so ein Reinfall war, hatte ich gleichzeitig gehofft und gebangt, dass er sich am Ende gegen den Anwalts-Job entscheiden würde. Es hätte eine weitere Zeit der Orientierung, eine weitere Zeit der Unsicherheit und der Geldknappheit bedeutet, andererseits auch eine neue Chance. Aber er scheint angekommen zu sein. Wir haben eine große Wohnung, wir haben Geld, er ist glücklich.
Es gibt nur ein kleines Problem: Ich bin es nicht. Als eine Art Zwischenlösung könnte ich mit dieser Art des Lebens klarkommen, aber langsam wird mir klar, dass das keine Zwischenlösung sein wird. Nachdem ich mich über mehrere Jahre an die Vorstellung geklammert hatte, dass wir eines Tages doch noch auswandern würden, wird immer offensichtlicher, dass das eine falsche Hoffnung war.
Anton ist so endgültig angekommenen, dass es mir Angst macht. Für ihn gibt es nicht den geringsten Grund, irgendwo nochmal neu anzufangen. Während ich mich mit kleinen, unliebsamen Jobs über Wasser gehalten habe, weil ich ja immer dachte, es sei nicht für lange.
Ein Tag folgt dem nächsten und jedes Mal, wenn ich versuche das Thema Auswandern anzusprechen, renne ich gegen eine unsichtbare Wand. Anton wird dann defensiv, gemein, kalt. Er ist nicht mehr er selbst, wenn ich versuche durch die Wand zu ihm zu greifen. Er löst sich auf und wird ein anderer. Ich bekomme das Gefühl, ihn zu zerstören, jedes Mal ein bisschen mehr, wenn ich hindurch kommen will.
Ein paar Mal versucht er halbherzig sich irgendwo zu bewerben, aber so verzweifelt, dass ich in die Betonhölle Manila ziehen möchte, bin ich dann doch nicht.
Wir leben zusammen und dennoch fühle ich mich sehr alleine. Ich überlege, eine Katze anzuschaffen, aber unser Vermieter macht mir einen Strich durch die Rechnung. Ich hänge Bilder von Korallen in der ganzen Wohnung auf und besorge ein kleines Aquarium, aber das hilft nicht wirklich. Vor allem, weil ich nach wenigen Wochen alle Fische umgebracht habe. Natürlich war das keine Absicht, aber dennoch habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen.
Als meine Freundin Cleo mich fragt, was ich denn eigentlich wolle, kann ich es plötzlich nicht mehr laut aussprechen. So oft wurde mein Wunsch am Meer zu sein abgeblockt, dass ich mich doch fragen muss, ob ich diejenige bin, die nicht ganz richtig ist. Vielleicht übertreibe ich einfach maßlos. Was ist schon dabei, wenn man nicht am Meer lebt? Viele Millionen Menschen tun das nicht und es scheint ihnen nichts auszumachen. Ich habe einen Partner, den ich liebe, was will ich denn noch mehr? Viele tausende Menschen haben das nicht und es scheint ihnen einiges auszumachen. Ich sollte mich schämen und das tue ich dann auch gründlich. Doch besser geht es mir damit auch nicht wirklich.
Ich entscheide, dass es wenigstens in unserer Beziehung an der Zeit ist, den nächsten Schritt zu gehen.
© Laura Schäffner 2022-06-25