Unsichtbare Zebras

Fabian Ladstätter

von Fabian Ladstätter

Story

Ich bin zwar stolz auf meine Schultasche mit dem Löwenbaby und außerdem freue ich mich über die Schultüte, die mir meine Mama gemacht hat, aber trotzdem überwiegt die Sorge, dass mich vielleicht niemand mögen wird. Mein Herz pocht schon den ganzen Tag sehr laut und in der Kirche frage ich mich, welche der Kinder auf den Bänken vor, neben und hinter mir, wohl in meine Klasse gehen werden. Richtig beängstigend sieht aber zum Glück niemand aus. Das beruhigt mich ein bisschen.

Nach dem Gottesdienst gehen wir in das Schulgebäude. Ich klammere mich an Mamas Pullover fest, da ich Angst davor habe, auf dem Weg ins Klassenzimmer dem Direktor zu begegnen, denn weil ich ihm beim Tag der offenen Türe nicht die Hand schütteln wollte, hat er gesagt, dass ich vielleicht noch warten sollte mit dem Schulbeginn, wenn ich nicht einmal ordentlich grüßen kann. Zum Glück sehe ich ihn nicht. Ich bin fast der Letzte, der durch die Tür kommt. Es gibt nur noch zwei freie Sitzplätze. Die anderen Eltern machen Fotos, reden ziemlich laut und strahlen ihre Kinder an. Sie schauen ihnen einfach beim Sitzen zu. Das finde ich komisch. Mama beugt sich zu mir runter, damit sie nicht so laut reden muss wie die anderen. „Schau, Fabian. Es gibt noch zwei Plätze. Entweder du setzt dich neben den Manuel oder da rechts neben das Mädchen.“ Den Manuel kenne ich aus der Anlage. Ich mag ihn nur manchmal. Das Mädchen grinst und schaut sehr nett aus, also setze ich mich zu ihr, sage aber nichts. Ich beneide sie darum, dass sie so grinsen kann. Mir ist eher schlecht. Ich glaube, das sieht man auch. Die Eltern gehen jetzt alle. Zum Glück ist die Lehrerin lieb. Sie wird schon auf mich aufpassen. Ich fürchte mich nicht mehr.

Der erste Schultag dauert nur ganz kurz, dann dürfen wir wieder nach Hause gehen. Vor der Schule suche ich meine Mama, sehe aber nur andere Mütter. Die sind alle viel älter. Das finde ich auch komisch. Kurz habe ich Angst, dass ich jetzt verloren gehen könnte, doch da findet sie mich schon. „Ich bin sehr froh, dass du nicht so eine knusprige Haut hast wie die anderen Mütter.“ Ich glaube, sie freut sich. Sie nimmt mich an der Hand und sagt, dass ich nach links und rechts schauen soll. Ich drehe meinen Kopf, schaue aber nicht wirklich, weil ich viel zu sehr damit beschäftigt bin, darüber nachzudenken, mit welchen Kindern ich mich ab morgen anfreunden werde und mich daher nicht darauf konzentrieren kann, ob ein Auto kommt oder nicht. Trotzdem gehen wir jetzt über die Straße. Ich merke, dass meine Füße nicht mehr am Boden schleifen, sondern vorsichtig zu hopsen beginnen. So schlimm war das heute gar nicht. Die Erleichterung ist groß. Schultasche und Schultüte trage ich selbst. Auf die bin ich wirklich stolz. Ich bin jetzt nämlich ein Schulkind.

© Fabian Ladstätter 2021-08-14

Hashtags