von Aamna Mashraj
Manche Gespräche prägen sich tief in unser Herz ein. Sie sind nicht geplant, nicht gesucht – aber sie hinterlassen Spuren, die uns verändern. So war es an jenem Tag auf der Intensivstation.
Ich hatte gerade das Zimmer meines Vaters verlassen. Mein Herz war schwer, meine Gedanken voller Sorge. In dem Moment trat ein Mann aus dem Nachbarzimmer. Er war etwa zwischen vierzig und fünfzig Jahre alt, sein Blick war ernst, doch offen. Er sah mich an und fragte ruhig: „Ist das Ihr Vater?“ Ich nickte und sagte leise: „Ja.“
Wenig später fragte ich ihn, weshalb er hier sei. Mit einem tiefen Atemzug antwortete er: „Meine Frau liegt drinnen.“ Ich zögerte kurz, dann fragte ich vorsichtig: „Darf ich fragen, was Ihrer Frau fehlt?“
Er sah mich an, seine Schultern sanken leicht. „Ich bin selbst Arzt“, sagte er. „Und die Situation meiner Frau ist sehr kompliziert.“ Tränen stiegen ihm in die Augen. Ohne ein weiteres Wort ging er ins Bad. „Es tut mir wirklich leid“, sagte ich ihm noch nach.
Als er zurückkam, war sein Blick weicher, verletzlicher. Er fragte mich, woher ich komme. „Aus dem Orient“, antwortete ich. Er lächelte leicht und sagte: „Ich komme aus Persien.“
Was darauf folgte, war ein Gespräch, das mehr war als ein einfacher Austausch. Es war eine Brücke zwischen zwei Menschen aus verschiedenen Welten – verbunden durch Mitgefühl, Schmerz und Hoffnung. Wir sprachen über unsere Heimat, über Traditionen, über Religionen und den Wert von Familie. Über die Kraft, die Menschen in den schwersten Momenten finden.
Ich fragte ihn schließlich, ob das Leben besser sei in Göttingen oder in Hannover. Er sah mich an und sagte:
„Es gibt ein persisches Sprichwort: Egal, wohin du gehst – der Himmel hat überall die gleiche Farbe.“
Dieser Satz blieb in mir haften. So schlicht – und doch so wahr. Als er sich verabschieden wollte und zur Tür ging, blieb er plötzlich stehen. Er drehte sich noch einmal um, sah mich ernst und sagte mit fester Stimme: „Aus dir wird einmal etwas Großes. Ich spüre das.“
Dann fragte er mich nach meinem Namen.
„Aamna“, sagte ich.
Er nickte, seine Stimme wurde weich: „Ich heiße Burhani.“
Und dann ging er zurück in das Zimmer zu seiner Frau.
Dieses kurze, stille Gespräch hat mich tief bewegt. Inmitten von Angst und Ungewissheit entstand ein Moment der Menschlichkeit – ehrlich, aufrichtig und unvergesslich.
Es hat mir gezeigt, dass selbst in den dunkelsten Stunden Begegnungen möglich sind, die Licht bringen. Und dass wir – egal, woher wir kommen, welche Sprache wir sprechen oder welchen Glauben wir haben – alle unter demselben Himmel leben.
© Aamna Mashraj 2025-05-16