von Kornelia Tödt
Auf Deutschlandfunk Kultur wurde gerade das Buch eines Wiener Trauerredners vorgestellt.
Sein Credo: Es ist nicht immer nur zum Weinen. Das hat mich an die Beerdigung meiner Mutter erinnert.
Meine Mutter war eine Frau ohne Schnörkel. Nach der Scheidung von meinem Vater im Jahr 1963 musste sie sehen, dass sie alleine klarkam. Sie arbeitete Akkord in einer Fabrik und half auf dem benachbarten Bauernhof. Kleine Freuden des Alltags waren nach der Arbeit ein Gespräch mit Nachbarn bei einer Tasse Kaffe oder ein Besuch bei ihrer Schwester mit der sie sich gut verstand.
Für “Gedöns„ war nicht. Es musste alles fix gehen. Staub wischen, Feudeln, Essen kochen. Als ich aus dem Haus ging, änderte sich wenig daran. Sie zog vom Land in die Stadt, arbeitete nur noch in der Fabrik und machte viele kleine Bus-Reisen mit ihrer Schwester.
Sie reiste gerne. Einmal machte sie mit meiner Tante Urlaub an der Nordsee, nicht weit weg von meinem Zuhause. Ich besuchte sie und wir fuhren mit der Fähre nach Föhr. Einer kleinen Insel nicht weit vom Festland. Bei einer Seeghtseeing Tour sahen wir kleine Dörfer und wunderschöne Reetdachhäuser.Wir bummelten durch die kleine Geschäftsstraße und guckten in die Schaufenster. Plötzlich blieb meine Mutter wie angewurzelt stehen. Guck mal Edith, sagte sie zu ihrer Schwester. Ist die Eule nicht wunderschön? Sie liebte Eulen, das wusste ich aber das Tier, auf das sie jetzt zeigte, war aus Christall und hatte grüne Augen. Nie wäre ich auf die Idee gekommen das so etwas meiner Mutter gefallen könnte.
Weihnachten packte ich wie immer ein Päckchen für meine Mutter. Außer Keksen, Zigaretten und Schokolade war dieses Mal auch ein kleines Geschenk darin. Die Eule. Die Freude war groß und die Christalleule bekam einen Ehrenplatz im Schrank.
Als meine Mutter schließlich in ein Pflegeheim musste, bestand sie darauf das die Eule mit kam. Sieben Jahre hatte sie ihren Platz auf dem Fernseher, damit sie sie immer sehen konnte.
Dann kam der Anruf, in dem ich vom Tod meiner Mutter unterrichtet wurde. Wir hatten gemeinsam alles geregelt, was die Beerdigung anging und das Heim leitete alles in die Wege. Meine Tochter räumte das Zimmer leer und packte alles in einen Umzugskarton.
Einen Tag vor der Beerdigung fuhr ich die 600km zu meinem Geburtsort. Dort wurde sie begraben. Meine Tochter stellte mir den Karton hin und bat mich ihn zu nehmen. Ich öffnete ihn kurz und sah ganz oben die Eule. Ich steckte sie in die Tasche. Dann fuhr ich zur Kapelle, um Abschied zu nehmen. Ich war alleine mit dem Leichnam meiner Mutter. Vorsichtig steckte ich die Eule unter das Laken in ihre Hände.
Nachts träumte ich das die Eule laut durch den Sarg getrudelt sei als die Träger ihn in die Grube senkten.
Als wir bei der Trauerfeier saßen und den Worten des Pastors lauschten, musste ich lächeln. Ich stellte mir vor, dass meine Mutter mir zuzwinkert. Sie hätte ihren Spaß daran gehabt, dass ich die Eule heimlich in den Sarg geschmuggelt hatte. Leise wie sie gelebt hatte, ging Sie.
© Kornelia Tödt 2020-11-13