Unterschätzt

Mia M

von Mia M

Story

Ich arbeitete noch nicht lange auf der Wohngruppe von Jonas und kannte ihn dementsprechend schlecht. Doch ich verstand schon bald, dass seine Lieblingsbeschäftigung darin bestand mir beim Haushalt zu helfen und mich dabei mit seinen fantastischen Geschichten zu unterhalten.

Da seine «Sprache» lediglich aus den Lauten «Da», «Do» und «De» bestand, war es für mich eine große Herausforderung zu verstehen, was genau er mir jeweils mitzuteilen versuchte. Gelegentlich gestikulierte er dazu wild umher oder fing plötzlich an zu lachen, was mir zumindest einen kleinen Anhaltspunkt dafür gab, worum es jetzt eigentlich in unserem Gespräch ging.

Auch seine Mithilfe beim Haushalt hatte so ihre Tücken. Da Jonas oft mit etwas zu viel Motivation an die Arbeit in der Küche ging, passierte es öfters, dass Geschirr zu Bruch ging. Auch beim Putzen, führte sein Übereifer dazu, dass Möbel zu Bruch gingen oder das falsche entsorgen von Putzlappen zur Verstopfung der Toilette führten. Was bewirkte, dass ich 3 Mal länger für das Erledigen der Hausarbeit benötigte, wenn er mir dabei half.

Ich gebe zu, dass ich ihm deshalb, immer weniger zutraute. Doch Jonas würde mich bald eines Besseren belehren.

Eines Abends, wollte ich während dem Nachtessen, den Teller einer Mitbewohnerin von Jonas in der Mikrowelle aufwärmen. Doch egal welchen Knopf ich drückte, die Mikrowelle machte keinen Wank.

Jonas, der das Geschehen von seinem Platz aus beobachtete, fing schließlich an, mir in seinen – für mich-unverständlichen Worten zuzurufen und gestikulierte mit seinen Händen umher. Ich, noch immer gestresst von dem Chaos, dass er in den letzten Tagen verursacht hatte, ging überhaupt nicht auf Jonas ein. Stattdessen nahm den Teller aus der Mikrowelle und sagte mit leicht genervtem Unterton: «Jonas, die Mikrowelle funktioniert nicht! Ich gehe den Teller in der Küche im unteren Stock aufwärmen.»

Auf meine Antwort, sah mich Jonas an, als ob ich nicht mehr alle Tassen im Schrank hätte. Stand kopfschüttelnd auf und quasselte dabei wild vor sich her.

Schließlich stellte er sich vor die Mikrowelle, wobei er sicherstellte, dass ich ihn auch ansah.

Nahm demonstrativ das Kabel der Mikrowelle in die Hand und steckte es in die Steckdose.

Mit heruntergeklapptem Kiefer, versuchte ich mich bei Jonas zu entschuldigen, worauf wir beide in lautes Gelächter ausbrachen.

© Mia M 2023-04-02

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