von Michael Santner
Allein der Name löste ein mulmiges Gefühl in mir aus: Bärentöter. Der Reiseführer warnte uns ausdrücklich davor, uns diesen Tieren zu nähern und zu glauben, das seien Hunde, wie wir sie von zu Hause kannten. Bisher waren wir von einer direkten Konfrontation mit einem solchen Tier verschont geblieben. Immer wieder hatten wir sie aus der Distanz beobachtet – kräftige Geschöpfe mit zotteligem Fell und gewaltigen Pranken – und waren froh darüber gewesen, dass sie uns keinerlei Beachtung schenkten. An jenem Abend schlugen wir unser Zelt auf einer ausgedehnten Almfläche oberhalb eines trüben Sees auf.
Zufrieden, einen weiteren Marsch auf unserer Tour bewältigt zu haben, machten wir uns daran, das Kochgeschirr auszupacken und uns ein ‚schmackhaftes‘ Fertiggericht warmzumachen. Ein eisiger Wind fegte über die Hochebene und obwohl noch August war, mussten wir uns einpacken wie im Spätherbst. Schützend positionierten wir uns vor die Flamme des Gaskochers, sodass diese vom Wind ungestört unser karges Mahl aufwärmen konnte. Plötzlich ein „Määäh“ in der Ferne, schlagartig drehten wir uns um. Eine Schafherde überquerte gerade den oberhalb gelegenen Pass und näherte sich uns. Voran liefen zwei kläffende Hunde, welche direkt auf uns zuhielten. Angst überkam uns beide, doch B. verfiel der blanken Panik. Mit einem Satz sprang er auf, stieß dabei Gaskocher samt Nudeltopf um und stürmte ins Zelt. Verdutzt blickte ich ihm nach und ehe ich mich versah, standen die beiden Hunde auch schon direkt vor mir. Wie gelähmt starrte ich sie an und sie mich. Einer kam auf mich zu und beschnupperte mich, ich spürte seinen feuchten Atem und probierte so gut wie möglich, keine hektischen Bewegungen zu machen. Dann umkreisten sie das Zelt und inspizierten es akribisch genau. Während ich das Spektakel gespannt beobachtete, schwand auch meine Angst. Ich fand es wirklich erstaunlich, wie gewissenhaft diese Tiere ihrer Aufgabe, die Herde zu beschützen, nachgingen und dabei keine Zweifel offenließen. Irgendwann waren sie fertig mit ihrer Inspektion und sie platzierten sich direkt neben mir, schauten mich jedoch nicht an, sondern begannen nervös zu winseln. Ich nutzte den kurzen Moment dazu, ein paar Fotos von diesen prachtvollen „Hundstrümmern“ zu machen. Kurz darauf machten sie sich dann auf den Weg zurück zu ihrer Herde.
„Du kannst wieder rauskommen, die Hunde sind weg!“, verkündete ich B., von dem ich währenddessen kein Wort gehört hatte.
„Das glaube ich dir nicht“, hörte ich ihn aus dem Zelt bibbern, er hatte tatsächlich entsetzliche Angst vor diesen Hunden, was ja keine Schande ist. Ich brauchte noch eine Weile, um ihn davon zu überzeugen, dass keine Bärentöter mehr auf ihn vor dem Zelt warteten. So nahe wie an diesem Abend sollten wir ihnen während der restlichen Reise nicht mehr kommen.
© Michael Santner 2019-10-13