Ihre Augen sind verschmiert von der Mascara, auf diese Weise sieht man ihre dunklen Augen nicht. Ben geht ruhig die Straße entlang mit ihr Huckepack. Sie hat sich zum Glück dieses Mal eine Kneipe ausgesucht, die nicht so weit weg von ihrem Zuhause ist. Trotzdem kriecht ihm die kalte Winterluft in seine Kleidung und lässt ihn frösteln. „Hey, wie geht’s dir?“, fragt er nach einer Weile des Schweigens. „Isch bin müde“, lallt sie. Diese Szene könnte schon fast romantisch sein, doch sie ist es leider nicht. Sie sind nicht zusammen. Sie ist wieder nur besoffen. Er seufzt in sich hinein, nicht ihretwegen, sondern seinetwegen. Langsam sind sie bei ihr in der Straße angelangt, wo er sie auf ihre Füße stellt. Er kann fühlen wie sie unter seinem Arm zittert. Er reibt also etwas stärker ihr über die Schultern. „Wo war sie jetzt wieder?“, hört er ihren Bruder Andy sagen, als er unvermittelt die Tür aufriss. „Keine Sorge, es ist nichts passiert. Sie hat sich bei mir gemeldet bevor es zu lustig wurde“, unternimmt er den schlechten Versuch ihren Bruder zu beruhigen. „Zu lustig?“, er spuckt die Wörter praktisch aus und sein Finger zeigt auf seine Schwester, „Wir sind über diese Stufe längst hinaus. Und nebenbei bist du es nicht langsam leid sie immer wieder abzuholen?“ „Ich bin ihr das schuldig und überhaupt ist es dir lieber, wenn ich sie in diesem Zustand alleine nach Hause laufen lasse?“, jetzt erhebt auch er seine Stimme, ohne es wirklich zu wollen. Von dem Geräusch hebt Laura ihren Kopf an, geht an ihren Bruder vorbei ins Haus. „Nein, du solltest sie mit mir in eine Klinik bringen, wo ihr geholfen werden kann“, erklärt Andy ihm und versucht dabei ein wenig neutraler zu klingen und nicht mehr zu schreien. „Man kann keinem helfen, der keine Hilfe will. Das, was ich tue, ist schon das einzige, was ich für sie tun kann, zumindest zu diesem Zeitpunkt“, stellt Ben klar. Er dreht sich um, denn Lauras Bruder wird es ja sowieso nicht verstehen. Als er so unter dem Mond geht, muss Ben an die erste Begegnung mit Laura denken. Es war eine so pechschwarze Nacht wie heute, er war auf dem Weg nach Hause. Ben stieg gerade aus der Bahn, genau in dem Moment, sah er sie da sitzen. Ihre Arme waren um ihre Beine geschlungen, ihre Stirn lag auf ihren Knien. Man sah, dass sie gerade weinte. Oben waren ein paar Jungs, die zu ihr heruntersahen, lachten und sich darüber unterhielten was für eine Schlampe sie sei. Irgendetwas an der Szene machte Ben wütend, mit einem Blick gab er also den Jungs oben zu verstehen, dass sie gehen sollten. Irgendwas schien er wohl zu haben, weswegen sie wirklich verschwanden. Er setzte sich neben Laura und begann tröstend auf sie einzureden. Bald darauf begann das Schluchzen von neu, weshalb er seine Ledertasche öffnete, wo er ein Flachmann versteckt hatte, da er von seinem Freund guten Alkohol bekommen hatte. Er hatte den Stein ins Rollen gebracht und musste nun seine Geschwindigkeit verringern. Nur hatte er Angst der Stein sei schon ohne ihn unten aufgeschlagen.
© Joana Goncalves Grandrath 2021-06-20