URINstinkt 
 verlass dich drauf!

Mary Modl

von Mary Modl

Story

„Tschuldigung, WOHIN genau wollen Sie“, versuchte ich – der ReisebĂŒrokauffrauneuling – das eben Vernommene mich buchstabenverwirrende Gestammel auf eine geistige Erfassungsebene zu kriegen, die mir vielleicht eine kleine Chance böte, zumindest die Destination zu erraten.

„Nach BIDOSCHL“, blickte mich mein mir noch unbekannter Kunde – sich des ausgesprochenen Wortes ob dessen Richtigkeit ziemlich sicher scheinend – fragend an. „Drei Personen sind wir, also zwei Erwachsene und ein AchtjĂ€hriger.“

In den letzten beiden Monaten seit Beginn meiner neuen beruflichen Karriere am Counter hatte ich begriffen, was „Ich weise recht passable Geographie-Kenntnisse auf“ an der Travel-Agent-Front wirklich bedeuten wĂŒrde. Stundenlang hatte ich mir unbekannte Destinationen, Drei-Letter-Codes wie LAX fĂŒr Los Angeles oder LHR fĂŒr London Heathrow sowie Reiseveranstalter und ihre Kataloge reingezogen, um nicht in solche Situationen zu geraten.

„BIDOSCHL in Salzburg – wir werden doch nicht die Einzigen sein, die dorthin wollen“, wurde die Stimme meines GegenĂŒbers etwas ungeduldig. Ich fĂŒhlte mich entlarvt, keine Ahnung zu haben, wo diese Familie gern Urlaub machen wolle. Instinktiv fĂŒhlte ich, mein Gesichtsausdruck spiegle zig Fragezeichen ausreichenden Nichtwissens wider.

„BIDOSCHL“, hakte der Mittvierziger stimmlich nun selbst etwas verunsichert nach. „Dort, wo unser Kaiser schon auf Urlaub war mit der Sissi.“

„Sie meinen nicht etwa Bad Ischl“, verspĂŒrte dieser Hauch einer eigenartigen plötzlichen Erkenntnis den Drang, sich in Worte hĂŒllen zu mĂŒssen.

„Stimmt, Bad Ischl, eh kloar“, hatte ich einen Treffer gelandet. Ich drehte mich zur Katalogwand und biss – natĂŒrlich so tuend, als ob ich nach dem richtigen Hotelprogramm suchen wĂŒrde – auf meine Unterlippe. Innerlich zerriss es mich beinahe vor Lachen, ich konnte mich dem Wuchstaben-Verbechsler einfach nicht mehr zuwenden. Hitzewallungen – Klimakterium mit Ende Zwanzig schloss ich aus – brachten den Überdruck unter der Haut fast zur Entladung. Wie dankbar war ich, als seine Gattin und der AchtjĂ€hrige plötzlich eintraten und sich die mit Peinlichkeit angereicherte Situation entspannte. Mit einigen Katalogen und Tipps fĂŒr einen gelungenen Österreich-Urlaub in Zeiten des Golf-Kriegs zogen die Kunden von dannen. Tage spĂ€ter wurde Bad Aussee gebucht. Besonders nett empfand ich es, dass mir der ehemalige Bidoschl-Fan ein KaffeehĂ€ferl mit dem Konterfei des Kaisers und der Aufschrift „Bad Ischl“ von einem Ausflug dorthin mitbrachte und mit den Worten „Nur net verschlucken“ schmunzelnd ĂŒberreichte.

Weitere Kundenanfragen-Highlights waren drei Wochen „Demokratische Republik“ als Hochzeitsreise, ein Theaterflug (Charterflug) nach Hamburg, wobei der Kunde erstaunt war, als ich fragte, ob ich die Theaterkarten auch besorgen solle und „Byebyeone“ 
 wobei ich diesen SchmĂ€h schon kannte und den Bibione-Fan als speziellen Spaßvogel abfertigte.

© Mary Modl 2020-07-31

Hashtags