Urlaub mal anders

allesachtsam

von allesachtsam

Story

Betriebsurlaub im Verdauungstrakt. Oder besser gesagt, Saft-Fasten nach Dr. Otto Buchinger im Kloster Pernegg im Waldviertel. So liest sich diesen Sommer der Titel zu meinem freiwillig gewÀhlten Urlaubsdomizil.

“5 Teebeitl und 10 Lita Wossa fĂŒr 1 Wochn?”, begrĂŒĂŸt mich der Hausmeister beim Einfahrtstor. “Genau das ist der Plan!”, entgegne ich lachend. Selbstsicher wirkend schreite ich zum Eingang. Stille und Sinn steht hier. Genau das suche ich. Tausche MeeresfrĂŒchte und Pinienwald mit Enthaltsamkeit im Selbstexperiment. War ich doch eher immer der ‘Hangry-Typ‘ (hungry+angry), wenn ich nichts zu beißen bekam, fordere ich mich nun heraus mit knapp 5 Tagen ohne feste Nahrung.

Etwas zittrig hatte ich die Entlastungstage verbracht. Etwa vier Tage vor Antritt der Fasten-Erfahrung wird nĂ€mlich bereits RĂŒcksicht darauf genommen, was man sich so einverleibt. Das gemeine Volk tendiert ja dazu im Zuge der Mischkost alles oben reinzuwerfen und davon auszugehen, dass der Verdauungstrakt schon arbeitet, damit es hinten in gewohnter Manier wieder rauskommt. Aber stellt euch mal vor, der Verdauungstrakt wĂ€re ein BĂŒro. FrĂŒher waren die Angestellten so getaktet, dass sie zu gewohnten Uhrzeiten eine gewisse Menge an ArbeitsauftrĂ€gen bewĂ€ltigten, nĂ€mlich dann, wenn der Körper tatsĂ€chlich Hunger hatte, nicht wenn er Gusto hat auf Saures, Salziges, SĂŒĂŸes, alkoholisches oder sonstwas. Hunger, dieses Grummeln, diese Notwendigkeit der Energieaufnahme durch Nahrung. Dazwischen braucht der Körper keine BeschĂ€ftigungstherapie. Die Werbungen von Lebensmittel- oder Pharmaindustrie suggerieren uns nur stets einen Mangel damit wir kaufen und futtern. 365 Tage lang gibt es dann Erdbeer-Joghurt. SĂ€gespĂ€ne-Alarm. Lebensmittel fliegen ĂŒber die Kontinente, Spritzmittel werden in der Land-Wirtschaft eingesetzt, Cash is King. Der Verdauungstrakt arbeitet sich ins Burn-Out durch kurioseste Zusatzstoffe und muss rund um die Uhr ran. Die Nahrung, die Mittel, die wir tatsĂ€chlich zum Leben brauchen samt wichtigen NĂ€hrstoffen gelangt in eine linke Ecke von alternativen Bobo-Hipstern und Aussteigern mit Permakultur-GĂ€rten. So viele Zivilisationskrankheiten wĂŒrden sich mildern, verzögern oder gar ausbleiben, folgten wir Pfarrer Sebastian Kneipp’s Zitat: “Der Weg zur Gesundheit fĂŒhrt durch die KĂŒche und nicht die Apotheke!”

Ich lerne sodann die Fastenleiterin kennen. Am schwarzen Brett beim Eingang erfahren wir, das einzige Nahrungsmittel diese Woche, Wasser, darf am Zimmer nicht getrunken werden wegen des zu hohen Nitratwerts aus bereits genannten Spritzmitteln der umliegenden Landwirtschaft. Der Mensch richtet sich selbst. Also trinken wir aus Flaschen. Ich feiere die VerfĂŒgbarkeit der milden Variante. KohlensĂ€ure wird das Trinkerlebnis aufpeppen. KrĂ€utertees, Zitronen, Ingwer und Honig stehen ebenso am Buffet sowie Öle zum Ölziehen. Lasset uns die Komfortzone verlassen.

© allesachtsam 2021-08-08

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