von Eva Filice
Kalendernotiz am 2. Mai 2020: Rückkehr aus Brüssel. Wie kann ich heute zurückkommen, wenn ich gar nicht dort war? Seit der abenteuerlichen Rückkehr aus Antibes am 14. März verbringe ich die Tage zu Hause in Wien.
Heute aus Brüssel zurückkommen? Unmöglich! Wien-Brüssel am 26. April: gecancelt drei Tage davor. Corona-Maßnahme der Regierung.
Diese ersehnte Reise durfte nicht stattfinden. Kein Abflug von Wien, keine Ankunft in Brüssel, daher keine Rückkehr nach Wien. Das reizende Appartement nahe der Genter Altstadt bleibt leer. Kein Kunsterlebnis in Flandern, kein Genter Altar von Jan van Eyck. Time slot für die Ausstellung in Gent gebucht. Die Fahrpläne nach Brügge, Mechelen, Antwerpen und Leuven bereits ausgedruckt.
Heute vor sieben Wochen war alles anders als davor, kippte alles aus der Zeit, unrealistisch wie in einem Film. Ich will nicht Mitspielerin in dieser ungewohnten Wirklichkeit sein! Das dämmerte mir erst langsam, dass ich ungefragt an diesem Setting teilzunehmen habe. Eine Zeit, die alles und alle verändert.
Anfang Februar 2020 freuten wir uns nach einem grauen Winter auf Sonne und Wärme an der Côte d´Azur. Antibes wie jedes Jahr, doch im März 2020 war ganz anders. Die Stimmung war nicht ganz unbeschwert. Allerdings ahnten Antonio und ich nicht, welchen Verlauf dieses Virus nehmen würde. Konsequenzen für uns? Nachrichten im italienischen Fernsehen klangen dramatisch, beunruhigten uns. Erst nur wenig. Dann immer mehr.
Antibes wie immer und doch ganz anders: der Duft der Mimosen, die Farbenpracht der Zyklamen, das Azurblau des Himmels, die wärmende Sonne. Für wenige Momente eine heile Welt. Die Wanderung entlang des Meeres um das Cap d`Antibes, die wechselnden Blautöne des Meeres, das betörende Spiel der Brandung ließen uns in eine befreiende Stimmung tauchen, die bald wieder verflog. Im Hinterkopf entstanden viele Fragen. Verstärkt durch Anrufe der erwachsenen Kinder, die auf eine frühere Heimfahrt drängten.
Italien war „zona protecta“, was nun? Rückreise durch Italien unmöglich. Kein Platz mehr für ein Urlaubsfeeling. Abbruch des Urlaubes. Umweg von 300 km über Aix-en-Provence nach Genf. Klostopps mit einer Flasche Desinfektionsmittel im Rucksack. Passieren von Grenzen im bisher grenzfreien Europa, Anspannung wie vor vielen Jahren.
Durchquerung der Schweiz in vier Stunden. Unruhe wegen der vielen SMS aus Wien. „Schaut´s, dass ihr so schnell wie möglich über die Grenze nach Österreich kommt! Ruf mich dringend an, sobald ihr in Vorarlberg seid!“, forderte meine Tochter. „Bei uns räumen´s die Regale leer. Alle sollen aus Frankreich zurückkommen. An der Schweizer Grenze wird kontrolliert.“
Endlich in Österreich! ORF-Nachrichten. St. Anton und Paznauntal in Quarantäne. Was ist wirklich los? In tiefschwarzer Nacht ohne Kontrolle durch das kleine Deutsche Eck. Wo ist das nächste Hotel? Endlich in Salzburg. Gerettet! Am Freitag, dem 13. März – zum Glück bin ich nicht abergläubisch.
© Eva Filice 2021-02-28