Urlaubsgefangenschaft 9

Melisa Cakir

von Melisa Cakir

Story

Der alte Mann und das Meer, denke ich mir. Wir unterhalten uns weiter und er verrät mir seinen Namen. Er heißt Karl. “Ich stamme aus Rotterdam.“ sagt er. „Das Meer war schon immer mein Zuhause. Damals habe ich nichts lieber getan, als den Gezeiten zuzuschauen. Aber ich habe auch viel gefischt, mir war nicht bewusst, dass wir irgendwann einmal in diese Lage kommen würden.“ Nun bin ich Rentner, ich habe ein  verschwenderisches Leben gelebt, ich möchte mit meinem letzten Bisschen Zeit, die mir verbleibt, wieder etwas gut machen. Ich habe vier Enkel und bin schon Uropa.“

„Ist das etwas Gutes, wenn du mir so viel Angst einjagst?“ „Nein, sicherlich nicht. Aber das emotionale Gedächtnis ist das Stärkste. Wir Menschen ändern uns nicht einfach so, wir müssen schon eine traumatisierende Erfahrung machen, die uns betrifft, um aufzuwachen und wirklich einen Änderungsprozess zu starten.“ , sagt der alte Mann. „Also learning by doing, ich wünsche Ihnen noch viel Erfolg um nach Hause zu kommen junge Frau!“ und Karl verabschiedet sich.

Mein nächster Weg war klar, ich musste mich abduschen. Ich konnte das Bild der toten Fische nicht mehr ertragen, alles an mir juckte. An der Außendusche angekommen, freute ich mich auf dieses frische Wasser, so sehr wie über nichts anderes. Ich duschte, machte mir diesmal jedoch Gedanken über das laufende Wasser. Die alte Melisa hätte wohl viel ausgiebiger unter der Dusche gestanden, dachte ich mir.

Wieder an meiner Strandliege angekommen, sah ich meinen Freund David und war froh endlich jemanden aus meiner Welt zu sehen. Ich erzählte ihm von unserer Gefangenschaft und dem Ausweg nach Hause. „Ja ich weiß es nun auch, ich musste schon drei Aufgaben bewältigen sagte er bedrückt. Wir können uns nicht einfach ein Flugticket kaufen, fuhr er fort. Ich habe mit einem anderen Urlauber gesprochen, sie haben schon mehrere Flüge gebucht und jedes Mal ist es ihnen nicht möglich gewesen von hier wegzukommen.“ Ich wollte ihm von meinen Stationen erzählen, von Karl und den Gärtnern. Doch genau in diesem Moment fror er wieder ein. Mir wurde nun klar, dass jeder dazu verdammt war, diese Aufgaben für sich selbst zu bewältigen.

Seufzend musste ich mich meinem Schicksal geschlagen geben und feststellen, dass vieles hier surreal ist und eine Art Illusion darstellt. Ich fühlte mich machtlos und wollte einfach nur nach Hause. Es verletzte sehr, nicht mit seinem Freund reden zu können und auf mich alleine gestellt zu sein.


© Melisa Cakir 2023-08-29

Genres
Science Fiction & Fantasy