Uups

Susanne Fahrnberger

von Susanne Fahrnberger

Story

Wir hatten gerade eine Hitzewelle. 35° im Schatten. Morgen wird es noch heißer laut Wetterbericht. “Soll ich dir nicht die Haare schneiden? Mit dieser Wolle auf dem Kopf kommst du um bei dieser Hitze! So kannst du nicht bei eurem Wandertag mitgehen!”

Nach einigem Hin und Her ließ sich mein 15jähriger Sohn überreden. Eigentlich mag ich nicht gerne Haare schneiden. Aber Mark zu einem Friseurbesuch zu überreden wäre genauso erfolgreich, als dass ich den Mount Everest besteige.

Ich beeilte mich, alles vorzubereiten, bevor er es sich anders überlegen konnte. Die Haarschneidemaschine war nagelneu. Jetzt konnte ich sie endlich testen. Zuerst legte ich das komische Plastikding um seine Schultern. Der Klettverschluss war viel zu weit um den Hals. Ich befestigte es deshalb mit einer Haarspange. Dann nahm ich das Gerät aus der Ladestelle, es lag gut in der Hand. Ich setzte es hinten am Hals an und fuhr langsam von unten nach oben. Seine langen Zotteln hingen über meine Hand, deshalb konnte ich zuerst nichts sehen. Langsam rutschte aber die Wolle seitlich von meinen Händen herunter und gab den Blick frei auf eine handtellergroße, kahle Stelle am Hinterkopf, ___, komplett kahl! Absolut kahl! Mir gefror das Blut in den Adern, Schweiß brach aus allen Poren, aber dieses Mal nicht von der Hitze.

“Was ist, warum hörst‘ denn auf?“

“Ich muss nur den Aufsatz wechseln “, versuchte ich möglichst ruhig zu bleiben. Zum Glück blickte er gerade nicht in den Spiegel, sonst hätte er meinen entsetzten Blick gesehen. Hoffnungsvoll versuchte ich das ganze zu retten, indem ich die restlichen Haare irgendwie verlaufend dazu schneide. Ich bemühte mich redlich. Mark erzählte mir von einem neuen Computerspiel, also musste ich nicht reden und konnte mich vollkommen auf die Arbeit konzentrieren. Aber so sehr ich mich auch abmühte, es sah einfach “Scheiße “ aus. Jetzt war der Moment gekommen. Ich musste es ihm beichten.

”Die wachsen bestimmt sehr schnell wieder nach“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Und beim Wandertag kannst du eine Kappe aufsetzen, das fällt gar nicht auf!”

“Und du glaubst, die reißen sie mir nicht herunter! Ich gehe bestimmt nicht in die Schule oder zum Wandertag. Da kann ich mir gleich aufs Hirn tätowieren, bitte schlagt mich!”

Er holte sich nicht einmal mehr sein Zeugnis ab. Bis zum September war glücklicherweise nichts mehr von der Glatze zu sehen. Meine Haarschneidekünste wurden daraufhin aber länger nicht mehr in Anspruch genommen.

Und auch jetzt noch wird jedesmal gefragt: „Ist der Aufsatz drauf?“

© Susanne Fahrnberger 2021-04-06

Genres
Humor& Satire
Stimmung
Komisch
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