von MMA
Er schreckte kurz nach dem Einschlafen wieder auf, ohne zu wissen, warum. Es war immer noch Nacht und abgesehen von den typischen Waldgeräuschen auch sehr still. Plötzlich blitzte ein greller Lichtstrahl durch den Wald und verschwand so schnell, wie er gekommen war. Alex wartete einen kurzen Moment, und der Strahl schnitt sich erneut durch den Wald hindurch. Das musste das sein, was ihn geweckt hatte. Es schien von einem Punkt in weiter Ferne zu kommen. „Vielleicht ein Leuchtturm?“, dachte er. Jedenfalls nichts, was ihm hier Sorgen bereiten musste. Erneut schnitt sich der Lichtstrahl durch den Wald. Und er fiel dabei auf etwas, das sich im Unterholz bewegte. Er hatte hier bisher noch keine größeren Tiere gesehen. „Welche Tiere wandern nachts im Wald umher?“, fragte er sich. Ein leichtes Druckgefühl machte sich in seinem Bauch breit, während er mit weit aufgerissenen Augen auf den nächsten Lichtstrahl wartete und versuchte, Schritte aus dem andauernden Zirpen herauszuhören. Der nächste Lichtstrahl erleuchtete seine Umgebung, und erneut sah er, wie sich etwas bewegte. Aus seinem einst guten Bauchgefühl wurde zunehmend ein sehr vertrautes: Angst.
Er vernahm keine Schritte von dem, was sich offenbar im Wald bewegte. In den kurzen Momenten, in denen er sehen konnte, konnte er auch nicht ermitteln, ob sich das, was den Wald offenbar durchstreifte, überhaupt auf ihn zubewegte. Beim nächsten Strahl schauderte es ihn, denn es wirkte so, als fiele der Lichtstrahl durch die Augen des Wesens hindurch auf ihn. Gleichzeitig kam ein neues, noch unbekanntes Gefühl hoch. Er dachte daran, wie jämmerlich es wäre, von einem Monster einfach zerrissen zu werden, ohne die geringste Gegenwehr zu leisten. Wenn es auch am Ende wohl keine Rolle spielte, wollte er wenigstens nicht als das sterben, was er ein Leben lang war: ein Feigling, der vor allem und jedem Angst hatte.
Der nächste Lichtblitz folgte und das Monster schien sich nicht bewegt zu haben. Wieder blitzten seine Augen auf. Nun vernahm Alex langsame und vorsichtige Schritte im Laub. Gleich einem Raubtier, welches sich langsam an sein Opfer schlich, unsichtbar durch die schwarze Decke, die die Nacht über das Land geworfen hatte. Doch die Schritte kamen nicht etwa vom Monster, das sich in einiger Entfernung aufbäumte und wohl nur auf den richtigen Moment lauerte. Es waren seine eigenen. Seine Füße tasteten sich vorsichtig voran. Erst, wenn er sicher war, dass er auf nichts trat, was laute Geräusche machen würde, wie etwa ein brechender Zweig, belastete er den vorderen Fuß und zog den hinteren nach. Dies war die leiseste Methode zu gehen. Das fand er heraus, als er einmal über einen alten Dielenboden ging, der bei jedem Schritt knarrte.
Nun war er fast beim Monster angekommen. Die Lichtblitze verrieten, dass sich das Monster nicht bewegt hatte. Nun würde er die Oberhand bekommen und überraschend zuschlagen. Er sprang hinter den Baum, hinter dem sich das Monster versteckte, und fiel weich zwischen viele Zweige und Blätter. Kein Monster war zu hören, das Atmen hätte man schließlich hören müssen. Stattdessen nur ein großer, dichter Busch. Er stellte sich davor, nahm seine vorherige Perspektive ein und wartete auf den nächsten Lichtstrahl. Er offenbarte, was er bereits ahnte: Seine Fantasie hatte ihm einen Streich gespielt.
© MMA 2023-08-29