von Jakob Zitterbart
Ich war plötzlich Chef in einer Kantine in einem Wiener Strandbad an der Donau. Es war am Beginn der ersten Saison. Draussen 30°C , in der Küche deutlich mehr. Den Vormittag hatte ich mit wahnsinnig professionellem „Management by Troubleshooting“ zugebracht.
Ein Kurzschluss, Mitarbeiter zu spät, Ware falsch geliefert, etc.
Gerade saß ich in meinem Büro und versuchte aus unmöglichen Voraussetzungen einen Dienstplan zu zimmern.
Ich zweifelte daran, dass ich einen Dienstplan erstellen konnte. Daran, dass es eine gute Idee war eine Schwimmbadkantine zu übernehmen. Und daran, dass ICH dafür geeignet war.
Vor 6 Monaten saß ich in einem anderen Land in einem Büroturm. Ich verfasste Stellungnahmen, nahm an Panels teil wo ich unglaublich wichtige Weisheiten von mir gab die von anderen unglaublich wichtigen Weisen entweder bestärkt oder kritisiert wurden. Ich trug Anzüge, polierte Schuhe und sammelte Flugmeilen. Was mache ich hier?
Ich hörte Stimmen und schon flog die Tür auf: „Chef sofort kommen“. Was war jetzt schon wieder?
Hinter der Kaffeemaschine stand meine Mitarbeiterin in Tränen. Vor der Kaffeemaschine eine fuchsteufelswilde Gästin die mir in breitestem Wienerisch Sachen an die Ohren warf, die in Talkshows überpipst werden würden. Ich hatte gerade weder eine Chance zu sprechen oder zu erfassen WAS das Problem war. Jakob finde was an ihr, dass du magst, schnell, du bist professionell, du kannst das!
Rosa Acrylnägel
Fehlender Backenzahn
Eng geschnittener Leopardenbikini
Locken! Frau Schimpfwörterschwall hat Locken. Ich auch! Jetzt bin ich ready.
„Entschuldigen Sie, ich bin ja gerade erst dazugestoßen, was ist denn passiert?“
„I sog da wos is! Do!“ Sie knallte ihren Eiskaffee derart schwungvoll auf den Tresen, dass die Hälfte überschwappte. „Schau du SAUBATTL in deina OASCHHITTN is lauta DRECK im VANILLEEIS!“ Sie stemmte die Hände in die Hüften und ließ mich das Eis begutachten.
Lauter kleine schwarze Punkte. Ich unterdrückte einen Grinser, meine Mitarbeiterin warf mir einen Blick zu der 1000 Emotionen vereinte.
„Das äh ist die Vanille“
„Glabst i bin deppat? Gestern hob i erst a Vanilleeis bein Lidl kauft und des wor gölb, NUR gölb, OHNE Dreck“
Da kam S. mit einem Schneidbrett einem Messer und einem Magnum-Eis. Ich hätte sie küssen können, sie war zwar zu spät, aber sie kam genau richtig.
Lieblingsschwiegersohnlächeln an und los „Schauen Sie, ich kanns beweisen“ feierlich schnitt ich das Eis an, auch hier lauter schwarze Punkte. Mit einem Mal war sie 5 cm kleiner und deutlich leiser sagte sie „Oh“.
Na warte dir geb ichs „Kein Problem die Dame, gut das wir darüber gesprochen haben. Die Kollegin macht ihnen jetzt gerne einen neuen Eiskaffee, mit ECHTEM Vanilleeis, der geht natürlich aufs Haus.“
Zurück im Büro beschloss ich, mich nie unterkriegen zu lassen. Wer das Vanilledrama besiegt, kann alles schaffen und so war es auch. Die Saison verlief nicht reibungslos aber wunderbar und sollte nicht die Letzte sein.
© Jakob Zitterbart 2019-10-12