Vanuatu und das mit dem Glücklichsein

Julie

von Julie

Story

Im Radio hörte ich zum Anlass des Frauen-Weltgebetstages das erste Mal von Vanuatu. Der ozeanische Inselstaat gilt laut “Happy Planet Index” als das viertglücklichste Land der Welt. Dieser Index errechnet sich aus vier unterschiedlichen Komponenten wonach eine Bevölkerung kategorisiert werden kann, um so die Glücksformel anzuwenden. Eine der Komponenten ist definiert als das Maß der Vergleichbarkeit der Lebensumstände der Menschen eines Landes untereinander. Während das Glücksgefühl ein individueller, subjektiv wahrgenommener emotionaler Zustand ist, setzt es sich offensichtlich klar in den Kontext von der Vergleichbarkeit mit dem bekannten Umfeld.

Mir drängt sich immer mehr die Frage auf, warum die Menschen in Vanuatu im Vergleich zu Österreich so viel mehr an “Glückspunkten” generieren. Österreich belegt laut “Glücksindex” lediglich den 43. Platz der Weltrangliste, befindet sich jedoch auf Platz 18 des Human Development Index. Vanuatu hingegen findet sich auf der Rangliste des Wohlstands auf Platz 140 von 189. Uns Österreichern müsste demnach die Sonne aus dem Hintern scheinen.

Ich vermute, dass die Einwohner Vanuatus ihr Glücksgefühl unter anderem aus der Verbundenheit zum ursprünglichen Leben mit der Natur schöpfen. Sie empfinden Glück, weil sie im Lachen des Anderen ihr eigenes wiedererkennen. Große Einkommensunterschiede gibt es auf Vanuatu genauso wenig, wie die oftmals daraus gezogene Neidbilanz.Ihre Vergleichspunkte sind die Gleichheitsmerkmale der ihnen bekannten Gesellschaft.

Umso wichtiger ist es, die Schattenseite des Inselstaats zu beleuchten. Gewalt gegen Frauen ist im patriarchalisch geprägten System ein Zustand der Normalität. Derzeit findet sich keine Frau im Parlament der parlamentarischen Republik.

Auch hier kommt für mich der Aspekt der Vergleichbarkeit zu tragen. Wenn es dem Großteil der Frauen in einem Land gleich ergeht, es die Unterdrückung und Gewalt gegenüber ihrem Geschlecht über Generationen hinweg unverändert intensiv erlebt und von Außen kein Anreiz geschaffen wird, andere Referenzpunkte zu finden, wird sich die Frau aus dieser Rolle nur bedingt herausentwickeln können. Vanuatus Inseln sind kaum mit Strom versorgt. Der Mangel an Austausch und Kontakt außerhalb des bekannten Radius ist dem Nichtvorhandensein ausreichender technischer Versorgung geschuldet.

Es besteht eine gewisse Isolation gegenüber dem Rest der Welt, was mich wiederum zur nächsten Denkaufgabe bringt: Ist ein vergleichsweise unterentwickeltes Land wie Vanuatu deshalb so glücklich, weil es schlichtweg zu arm ist, sich mit dem globalen Geschehen in Verbindung zu setzen? Was, wenn die Frau erkennt, dass ihr Schicksal als Unterdrückte nicht vorherbestimmt, sondern lediglich nachgelebt ist? Vielleicht is man ja glücklicher, je weniger man weiß.

Ich weiß, dass ich die Antworten nicht weiß, aber es sehr bewundere, mit wenig aus dem Vollen zu schöpfen.

© Julie 2021-04-10

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