Am Sonntagmorgen erwachte ich aus einem kurzen unruhigen Schlaf, in meinem Kopf hämmerte es und mein Magen drehte sich um. Trotzdem erinnerte ich mich an Alexas Worte. Ihr Schlafzimmer war leer. Sie war nicht da. Wie immer, sonntagmorgens um acht, wollte sie sich mit Alex zum Tennis treffen. Ich rief sie an. Ihr Telefon war aus. Ich rief Alex an, der sich sofort meldete. »Hallo Jule, wie geht es dir nach der Party?«, fragte er mich süffisant. »Ist Alexa bei dir?«, fragte ich schroff und ohne Gruß. »Nein«, antwortete er verwirrt. »Sie hatte gegen sieben angerufen und abgesagt. Warum?« Ich fragte, wo er wäre und dass ich bei ihm vorbeikommen würde. Immer noch verwirrt, antwortete er, dass er im Büro sei und noch ein paar Sachen bearbeiten würde. Ich schluckte eine Aspirin und eine halbe Stunde später traf ich Alexander im Trainingsanzug in seinem Arbeitszimmer. Ich erzählte ihm von dem gestrigen Vorfall und dass Alexa im Halbschlaf immer wieder seinen Namen gerufen hätte. »Alex, ganz ehrlich jetzt, gibt es da etwas, was ich wissen sollte? Du weißt, was ich meine. Vögelst du meine Frau?«, fragte ich ihn direkt und blickte in sein verdattertes Gesicht. Er schwieg eine Weile, bevor er mir bei Gott schwor, dass er keine Affäre mit Alexa hätte. Alleine die Vorstellung wäre absolut hirnlos und absurd. »Glaubst du etwa, ich, dein langjähriger Freund und Geschäftspartner würde versuchen, dir Alexa auszuspannen? Mann, hast du eine kranke Fantasie! Alexa kenne ich seit meiner Schulzeit! Sie war der Schwarm aller Jungs«, antwortete er. »Auch meiner. Das gebe ich unumwunden zu. Aber sie war unnahbar, unerreichbar. Es gab da mal einen Vorfall im Sportunterricht, als sie beim Schwimmen beinahe ertrunken wäre. Ich erinnere mich genau. Unser Sportlehrer, den wir alle nur »Flipper« nannten, musste sie damals von der tiefsten Stelle des Hallenbads hochholen. Sie lag bewegungslos da unten und wollte nicht auftauchen. Und als »Flipper« sie dann aus dem Wasser trug, war sie halb bewusstlos und rief fast panisch immer wieder nur meinen Namen. Ich dachte, ich wäre gemeint, hielt ganz fest ihre Hand und versuchte sie zu beruhigen, bemerkte aber, dass ihr glasiger Blick durch mich hindurch ging. Diesen Vorfall konnte ich nie vergessen, war sie doch unsere beste Schwimmerin und für die Schulmeisterschaft nominiert. Danach war sie mehrere Wochen nicht in der Schule. Einige Leute behaupteten, sie wäre in die Psychiatrie eingeliefert worden. Ihre Eltern schwiegen die ganze Zeit. Nach dem Abi ging sie zum Studium in die USA, schwamm dort in der Studentenauswahl und den Rest kennst du. Ich kenne meinen Namensvetter nicht, Julian. Beruhige dich und versuche mit ihr zu reden. Nimm dir ein paar Tage frei und fahre mit Alexa in Urlaub.«
Genau das würde ich nicht tun. Ich würde sie suchen und finden. Ich wusste auch wo. Mein Bauchgefühl sagte es mir. Ich umarmte meinen besten Freund, entschuldigte mich bei ihm und rannte die Treppe hinunter zu meinem Auto. Es war elf Uhr und ein neuer Hitzerekord stand ins Haus. Die Wetterfrösche hatten für die kommenden Tage Temperaturen bis zu vierzig Grad gemeldet. Seit Tagen jagte eine Hitzemeldung die andere und machte die Leute halb wahnsinnig. Auch mich. Ich war zu allem fähig, sollte sich meine Vermutung bestätigen. Ich betete, dass ich mich irrte.
© Wolfgang-Arnold Müller 2025-01-27