Ich hielt den Kopf zur Seite gedreht und die Augen fest geschlossen. „Au!!“ Der Schmerz war unerwartet heftig. Augenblicklich stoppte der Arzt das Lamentieren darüber, dass er niemals den Mut aufbringen würde, gelbe Schuhe zu tragen und konzentrierte sich wieder auf seine Tätigkeit. Kurz unterbrach er den Druck auf den Kolben, zog die Nadel ein Stück zurück und spritzte dann den Rest der Flüssigkeit langsamer in das Kniegelenk. Beim Herausziehen der Kanüle wirkte er fast ebenso erleichtert wie ich. „Wir sehen uns in einer Woche wieder“, sagte er in geschäftsmäßigem Ton, als wolle er von dem kleinen „Hoppala“ ablenken. Es war bereits die vierte Spritze gewesen, aber keine hatte bisher weh getan. Nachdem die erste Behandlung versagt hatte, empfahl der Orthopäde eine Hyaluron-Kur, bestehend aus fünf Injektionen. Wortlos zog ich meine Hose hoch. Mein Knie fühlte sich an, als würde die Nadel noch drin stecken. Oh Gott. Er wird doch nichts ruiniert haben? Schon wurde mir die Hand zum Abschied entgegengestreckt und die Tür geöffnet als unmissverständliches Zeichen, dass die Konsultation zu Ende war. Zeit ist Geld. Die nächsten Kniepatienten warteten bereits. Es lagen noch drei vorbereitete Spritzen auf dem Tablett. Wie auf dem Fließband, dachte ich. Da fiel mein Blick auf die blauen Handschuhe und ein Schauer rieselte mir kalt den Rücken hinunter. Wechselt er sie überhaupt ? Die drei Schritte bis zur Tür waren die Hölle. „Na das ging ja schnell“, tönte mein Mann, als ich in den Wartebereich hinaustrat. Hilfesuchend ergriff ich seinen Arm und stützte mich schwer darauf. Hinter mir fiel die Tür ins Schloss. „Was ist los?“, fragte er besorgt. „Die verdammten Schuhe!“, presste ich heraus. „Die Schuhe?“, er zog die Augenbrauen hoch. „Ja er meinte, er würde auch gerne den Mut haben, so ausgefallene Sachen zu tragen. „Der ist sicher zehn Jahre jünger als ich, aber konservativ wie ein Neunzigjähriger.“ mit jedem Schritt hatte ich größere Mühe, die Tränen zurückzuhalten. „Und dann hat er mir die Nadel bis zum Anschlag hineingerammt.“
Das leuchtende Gelb hatte mich im Schuhgeschäft wie magnetisch angezogen – genau das gleiche Gelb, wie die coole Latzhose, die ich als Kind von meiner Taufpatin bekommen hatte. Sie war mein ganzer Stolz gewesen. Alle hatten mich darum beneidet. Als sie zu kurz wurde, nähte mir meine Oma bunte Stoffstreifen dran. Später erhielt sie noch ein zweites Leben als Tasche.
„Beim nächsten Mal ziehe ich andere Schuhe an!“, Mit feuchten Augen und schwer gestützt auf meinen Mann, humpelte ich zum Auto.
„Beim nächsten Mal? Du gehst wieder hin?“
„Mal seh’n“, murmelte ich.
© Susanne Fahrnberger 2025-06-26