von kleinschreibung
Werde ein scheißschöner Schmetterling, they said. It will be fun, they said, aber niemand hat was über den verfickten Kokon gesagt. Man muss sich schon ziemlich gut leiden können, um so lange mit sich alleine zu sein, ich glaube, da würde jede bekloppt werden, denn bei Selbstliebe kacken wir alle so insgesamt ein bisschen ab.
Dann sitzt man da also, gefangen in sich selbst mit der gleichen beschissenen Erwartungshaltung, die einem schon das ganze Leben entgegengebracht wird, denn jetzt ist es endlich an der Zeit, erwachsen zu werden und Träume zu verwirklichen, was in Wahrheit nichts anderes heißt, als allein im Dunkeln zu grübeln, ob wir das, was wir einander erzählen, eigentlich wirklich auch selbst glauben. Ja ja, am Ende wird sich das alles schon bezahlt machen, wer rastet rostet, das Glück ist mit den Fleißigen, wer schön sein will muss leiden, oral-b für strahlend weiße Zähne außer man muss kotzen.
Wir teilen die Welt ganz einfach in zwei Gruppen, die Guten und die Schlechten. Die Guten sind schön, die Schlechten sind hässlich. Die Guten sind Schmetterlinge, die Schlechten sind Raupen, aber mit ein bisschen Anstrengung kann es eh jeder schaffen, sich von seiner selbstgewählten Unschönheit zu befreien, ich glaube das hat mal ein Philosoph gesagt.
Allein das Wort Raupe klingt wie die Personifizierung der Farbe Grau und jede, die jetzt einwendet, dass Grau nicht mal eine Farbe ist, hat eben absolut recht, das ist ja der Punkt. Wie soll man eigentlich stolz auf sich sein, wenn die ganze Welt immer nur aufzeigt, wie viel mehr man sein könnte? Ja, vielleicht könnte ich ein bekackter Schmetterling sein, aber vielleicht habe ich auch einfach keine Lust mich bis an die Grenze zum Selbsthass mit dem zu befassen, was ich alles sein könnte, anstatt mal für einen kurzen Moment anzuerkennen, was ich bereits bin. Und vielleicht würde es sehr viele mehr geben, die auf ihre Metamorphose zum Glück verzichten würden, wenn wir häufiger von süßen Babyschwänen und seltener von hässlichen Entlein reden würden.
Aber es gibt keine Obergrenze für Selbstoptimierung, sie ist der Weg, nicht das Ziel – noch ein beschissenes Sprichwort – und ein wunderschöner Schmetterling zu werden ist ja gerade mal der erste Schritt. Als Belohnung kann man dann auf die ganzen dreckigen, kleinen Raupen runterblicken, bisschen Bodyshaming betreiben, wenn sie Trash fressen und ihre Leben hart verkacken. Darüber kann man sich jedes Mal ein Loch in den Bauch freuen und sich überlegen fühlen oder wahlweise Mitleid haben, wahrscheinlich eine eklige Mischung aus beidem. Wenn man sich über die ganze Verachtung kurz selbst nicht mehr fühlt, dann ist es eine tolle Ablenkung, mit den Flügelchen zu klimpern und zu sehen, wie nice das Sonnenlicht durchfällt, Oberschicht Baby.
Es ist immer noch dunkel und ich glaube, wenn ich eine Raupe wäre, würde mich das Leben ganz schön ankotzen.
© kleinschreibung 2021-10-11