von Angela Buchegger
Wer im Supermarkt einkauft, wird fett. Diese Tatsache stellte mir eine langjährige Freundin in den Raum. Na echt jetzt. So übergewichtig fühle ich mich nun auch wieder nicht, obwohl ich ja ständig in meinem Lieblingssupermarkt die Lebensmittel hole. Außerdem kaufe ich ja ohnedies nur regionale Produkte, die es dort zum Glück auch zu finden gibt. Und Produkte vom Bauernhof gibt es sowieso ständig. Genauso wie Erzeugnisse aus dem eigenem Garten und Eier von glücklichen Hühnern. Frisch gekocht wird täglich. Also wo kommen diese überschüssigen Kilos auf meinen Rippen bloß her? Mein Ehemann isst dasselbe, doch viel größere Portionen. Er bleibt immer schlank und rank. Mein Hund ist allerdings auch zu dick. Sagt man mir zumindest ständig. Was soll ich tun? Ich kann ihn doch nicht hungerleiden lassen.
Schon eigenartig, warum meine Klamotten immer knapper werden. Schuld sind diese bösen Geister, welche sich Kalorien nennen, die über Nacht alles enger nähen.
Geholfen hat alles nichts. FdH, Trennkost, Bananenkur, nur Gemüse und Obst und sogar ein Produkt aus der Apotheke, alles umsonst. Mein Körper lässt sich nicht überlisten. Er behält alles, was er sich angefressen hat.
Zum Glück gibt es noch eine zweite Freundin. Sie versteht mein Problem. Und sie lädt mich dazu ein, mit ihr gemeinsam an einer Fastenwoche teilzunehmen: „Wir werden Deine überschüssige Lebensmittelzufuhr einfach mal eine Woche lang abdrehen“, verkündet sie ganz selbstbewusst und meldet mich gleich an.
Am Tag unserer Abreise, an einem Sonntag, herrscht dichter Schneefall. Trotzdem nehmen wir, vielmehr ich, weil ich bin ja Chauffeur, die 240 km Wegstrecke in Kauf, um an diesen Marterort zu gelangen.
Die einsame Hütte in den Bergen, am Rande eines beliebten Urlaubsortes und in ihr die Fastenbegleiterin, warten auf uns. Eine dichte Schneedecke liegt über der bezaubernden Landschaft. Im Ofen prasselt ein Feuer, welches dem kleinen Wohnraum eine gemütliche Athmosphäre verleiht.
Am Tisch gibt es nur eine große Kanne dampfenden Tee, sonst nichts. Im gesamten Haus ist nicht einmal eine rohe Zwiebel zu finden. Alles Essbare hat unsere gewissenhafte Fastenbegleiterin weggeräumt.
Der erste Fastentag beginnt mit einer Gymnastikstunde, einem gemeinsamen Teefrühstück und einem langen Spaziergang im Schnee. Die Schneedecke hat inzwischen gute zwei Meter Höhe erreicht. Es ist ganz schön anstrengend, einen Pfad bis zur Straße freizulegen. Und das nur mit Tee im Bauch.
So vergeht ein Tag nach dem anderen. Eingeigelt in diesem tief eingeschneiden Ferienhaus, mit Teekur, Leberwickel, Gymnastik bis zum Umfallen, Plaudereien und einer klaren Gemüsesuppe zum Tagesabschluss, wobei alle festen Gemüsebestandteile geflissendlich aus dem Wassersud entfernt wurden. Es geht nur um die Elektrolytzufuhr, wird uns erklärt.
Am Freitag feiern wir Fastenbrechen, mit einem extralangen Spaziergang durch den Ort und Bratapfelschmaus. Immerhin. Mit 6 kg weniger Gewicht.
© Angela Buchegger 2022-02-19