von Rosenbusch
Schon beim ersten Chat sprühten Funken zwischen uns.
Die erste Stunde war etwas holprig, doch die zweite wurde warm und wärmer. Am Ende war ich dir bereits ein wenig verfallen. Zwei Seelen, die sich trafen, um einen Mangel an körperlicher Zuwendung zu beseitigen, wenn auch vorerst nur mit Worten.
Wir schrieben uns von nun an fast jeden Tag und wir legten all unsere Träume und Fantasien offen und die Worte flossen wie Berührungen hin und her. Zärtlichkeiten türmten sich in Sätzen über uns und deckten uns gegenseitig zu und darunter gedieh die Sehnsucht, die nach Erfüllung strebte und die Vorstellungskraft wuchs ins Unermessliche.
Die Macht der Worte war stark und wir stürzten uns in eine „sprichwörtliche“ Affäre. Die Wortwahl wurde zunehmend erotischer, deeper, in die Tiefe gehend. Sehr sinnlich, gewagt und offen bis offenherzig, direkter, beim Namen nennend. Dirty Talk in schriftlicher Form.
Es war aufregend, anregend, animierend. Die Buchstaben formten sich zu Lippen, zu nackter Haut und Fingern. Man spürte förmlich leichte Schauer und Feuchtigkeit und die Leidenschaft brannte in unseren Körpern und in unseren Fantasien. Unsere gegenseitigen heißen Wörter verführten uns, brachten unser Blut und unsere Hormone in Wallung und unser Lustempfinden wurde gesteigert. Der Chatverlauf ließ unsere Herzen höher schlagen und war so stimulierend und aphrodisierend.
Die Worte streichelten uns, betörten und berauschten uns. Fielen über uns her und ließen uns stöhnen und schwer atmen. Scharf, sexy, sinnesfroh und an manchen Tagen benahmen sich die Worte sogar zügellos, lüstern, triebhaft, begierig. Wir wurden gierig aufeinander.
Die Worte trafen sich und liebten sich, schwarze Tinte auf weißem Untergrund. Der Chat, das Bett. Ausgesprochene Worte ohne Stimme, Gedanken in Worte gefasst, Traumbilder, Wunschträume, Imaginationen, Buchstabenlust.
Deine Worte haben mich verführt und meine Worte dich. Kraftvoll und intensiv und heute sind sie nur mehr Erinnerungen. Doch ich erinnere mich gerne.
© Rosenbusch 2024-12-28