Verkehrtherum 1/2

Liane Ewert

von Liane Ewert

Story

In einer Stadt, in der man durch das Springen auf die andere Seite der Welt gelangt, lebte einst ein Mädchen namens Obenunten. Sie lebte mit ihrem bescheidenen Vater, dem Schmied, in der Stadt Verkehrtherum. Die Gesetze dort waren einfach und klar: nichts tun, was das Gegenteil hervorruft. Anstatt zu springen, muss man sich ducken, rückwärts schreiben und nicht vorwärts – und vor allem ging alles und jeder in der Stadt mit dem Rücken nach vorne. Das führte dazu, dass alle dementsprechend nach vorne gingen, und as rückwärts Geschriebene aussah, als wäre es von rechts nach links geschrieben und nicht anders herum. Das war verwirrend – besonders für Obenunten. Sie ist nämlich mit ihrem Vater gerade erst hergezogen.

Das kleine Mädchen verabschiedete sich von ihrem Vater, bekam einen letzten Kuss auf das Kinn und stolperte rückwärts zur Schule. Neu in der Stadt und ohne Freunde schlug sich Obenunten durch den neuen schulischen Alltag so gut es eben ging. Schreiben war nämlich nicht ihre Stärke und die neue „Sprache“ half ihr nicht gerade dabei.

„Her denn du kommst wo?“, fragte plötzlich ein Junge hinter ihr. Sie erschreckte sich und dabei all ihre Blätter in die Luft fliegen, die sie zuvor von der neuen Lehrerin erhalten hatte. Der Junge kam entschuldigend mit erhobenem Kopf hinter dem Baum hervor, was für Obenunten so wirkte, als hätte er ihn gesenkt. Obenunten ärgerte es natürlich; die Blätter waren auf die Erde gefallen und sind dreckig geworden. Wie sollte sie die Blätter jetzt aufheben, ohne sie wirklich aufzuheben? Obenunten war ratlos und blieb mit einem hängenden Gesicht stehen, weil sie nicht wusste, was sie jetzt machen sollte. Da trat der Junge mit ihrem Schrecken auf die Blätter. Beinahe schwebend kamen die Blätter auf einmal in die Hände des Jungen. Obenunten wollte ihn deswegen bereits anschreien. Die Situation konnte für sie nicht noch schräger und unangenehmer werden, aber dafür wusste sie jetzt, wie sie Dinge in dieser Stadt aufzuheben hatte.

„Her du kommst wo?“, fragte der Junge wieder und gab Obenunten ihre Blätter wieder. Er wiederholte die Frage, weil sie ihn nicht ganz verstanden hatte; immerhin hatte sie noch Gewöhnungsbedarf, was die Sprache betraf.

Er wiederholte also die Frage und Obenunten antwortete: „Überallundnirgendwo. Du heißt wie?“ Sie konnte sie auch endlich antworten.

„Linksrechts. Du und?“ Sie lächelte und nannte ihren Namen. Nach der Schule begleitete Linksrechts seine neue Freundin nach Hause, als sie feststellen musste, dass er gegenüber von ihr wohnte. Sie meinte sich daran uz erinnern, dass er genau das gesagt hatte, war sich aber nicht sicher. Dann ging sie zu ihrem Vater in die Schmiede, die direkt neben ihrem Haus lag.

„Schatz mein, hallo“, begrüßte er sie und legte das unförmige Schwert ins Wasser, wo es zischend abkühlte.

„Können wir nicht normal reden, Papa?“, fragte Obenunten genervt und lehnte ihre Tasche an die Wand.

„Gesetz das gegen verstößt es“, erklärte der Vater ruhig, „akzeptieren es müssen wir und.“

© Liane Ewert 2023-06-28

Genres
Science Fiction & Fantasy
Stimmung
Mysteriös
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