Verliebt in Amsterdam

Daniela Krammer

von Daniela Krammer

Story

“Ich bin verliebt! Schon wieder! Das siebente Mal diese Woche, das dritte Mal heute!” strahlt mich der junge Mann an, als er mich umarmt und herumwirbelt. Wir haben uns noch nie gesehen. Gerade erst sind meine beste Freundin und ich in Amsterdam angekommen und gehen gerade in den Vondelpark hinein, als er uns bemerkt und sich sofort in mich verliebt. Etwa fünfzehn Minuten lang sind wir heiß verliebt und ein Paar, dann marschieren wir weiter betrunken von dieser Stadt durch den Park, während mein heißer Lover, von Beruf Artist, Jongleur und Gigolo, sich in die nächste unbedarfte junge Frau verliebt.

Wir sind Anfang zwanzig, Singles und bereit, uns dem Hormonrausch hinzugeben. Das geht aber nicht immer so nett aus wie im Park. Abends sitzen Anna und ich in einem Lokal in der Nähe unserer Unterkunft und wollen noch ein gepflegtes Glas Wein trinken. Da stürmt plötzlich eine Blondine auf uns zu und fängt an, auf uns einzubrüllen. Ich verstehe kein Wort und bitte sie in Englisch zu sprechen. Sie beschuldigt uns darauf hin, ihren Freund angemacht zu haben und droht uns eine Tracht Prügel an. Ich bin sprachlos, weil ich den blassen, rothaarigen Typen bisher gar nicht wahrgenommen haben. Anne reagiert zum Glück perfekt und umarmt mich und faucht die Blondine an: “Verpiss dich, wir sind ein Paar!”

Keine Ahnung, was die wirklich vorhatten, aber auf dieser Antwort war weder die Blondine noch der anscheinend hotteste Junge – Geschmäcker sind bekanntlich verschieden – im Raum nicht gefasst und sie lassen uns in Ruhe. Wir trinken aus und verziehen uns kichernd.

In Amsterdam will man natürlich “was probieren”. Ich bin aber gerade mal wieder Nichtraucherin und will deshalb nichts, begleite aber gerne meine Freundin in eines der berühmten Cafes. Der Kellner legt uns sofort ungefragt eine “Speisekarte” hin mit interessanter Auswahl. Afghane? White Sage? Marokko? Anna kennt sich genauso wenig aus wie ich und wir verziehen uns. Später werden uns einheimische nette Jungs mitrauchen lassen. Ich bekomme beim ersten Zug einen Hustenanfall und halte mich dann an das nächste Glas Rotwein, und an das übernächste. Am Ende des Abends ist zwischen unseren Räuschen wenig Unterschied, also werde ich wohl nicht viel verpasst haben.

Die Heimfahrt im Zug ist anders als die Hinfahrt. Die Zugfahrt nach Amsterdam ist schon ein Rausch an Hormonen und Gefühlen gewesen. Der junge Mann, mit dem ich herumknutschend in einem Abteil verbrachte, hatte meine Telefonnummer in einem schwachen Moment abgestaubt. Aber wie beim Wein oder der Gewürzmischung aus dem Urlaub ist es auch mit den Bekanntschaften: Daheim schmecken sie einfach nicht mehr so toll.

Die Stunden der Fahrt nach Wels verbringen wir schweigend, in Erinnerungen schwelgend und schlafend. Die Holzpantoffeln undBänder in den Haaren sind bald in Schubladen verschwunden und das Henna Tattoo verblasste. Aber eines ist geblieben: Wir sind verliebt in Amsterdam.

© Daniela Krammer 2021-02-01

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