von Anita_Wolf
Heiraten. In meinem Alter kommt früher oder später immer die Frage auf, ob ich verheiratet bin. Wie so oft in meinem Leben ist alles anders.
Beziehungen waren nicht so meine Stärke. Ich gehe emotional keine Kompromisse ein. Wenn es nicht passt, dann lieber alleine sein. Mir ist mit Männern oft das Gleiche passiert – ich lerne jemanden kennen, wir gehen aus, ich denke, es entwickelt sich etwas zwischen uns und auf einmal hat er eine neue Freundin. Das erste Mal ist der Mann halt einfach ein Depp. Das zweiten mal kann ich mir das auch noch einreden. Beim dritten und vierten Mal wird’s dann schon schwieriger. Ich fange an darĂĽber nachzudenken, ob es wohl an mir liegt. Meine Freunde reden mir das vehement aus, so eine Frau wie dich, wer die nicht will, ist selber schuld.
Nach dem 8. Mal ist da kein Spielraum mehr zum Schönreden. Das ist einfach Mathe. Ich bin die einzige Konstante in den Geschichten, es muss an mir liegen. Nach einigem nachdenken, merke ich, dass ich Angst davor habe, verletzt zu werden. Dass ich nie einen Mann wirklich an mich ran lasse. Die Mauer, die ich aufgebaut habe, ist undurchdringbar. Also gut, da ist sie nun die Angst, die Mauer. Was tue ich jetzt damit? Ängste zu überwinden lernt man nicht in der Schule. Eine Freundin empfiehlt mir einen Coach.
Nach stetiger Arbeit an mir selbst veränderte sich auch die Beziehungen zu Männern. Aber eine wirkliche Beziehung entwickelt sich nicht. Dann ist da noch Heinrich. Wir tanzen zusammen, reden viel über das, was uns bewegt. Telefonieren fast jeden Tag. Aber verliebt ineinander sind wir nicht, nur Freunde. Bis zu diesem einen Abend. Wir sind auf eine Geburtstagsfeier eingeladen. Er parkt wie immer bei mir. Wir gehen gemeinsam zur Party. Auf der Party sehen wir uns kaum. Wir sind beschäftigt, unterhalten uns mit anderen, ich treffe alte Freunde wieder. Wir gehen zusammen nach Hause – wie immer. Aber es ist nicht wie immer. Etwas hat sich verändert. Ich will seine Hand nehmen – ich trau mich nicht. Nach ca. 500 Meter legt er seine Hand auf meinen Rücken – das ist neu. Er kommt noch mit hoch zu mir – wie immer. Wir reden ewig – wie immer. Auf einmal küssen wir uns–das ist neu. Es ist schon vier Uhr, Heinrich muss morgen um 7 los. Schnell bricht er auf. Wir sind beide verwirrt. Wir wollten uns am Dienstag zum Tanzen treffen. Das ist noch viel zu lang. Wir müssen herausfinden, was das jetzt war.
Ich mach mich am Sonntagabend auf den Weg zu ihm. Nach ein paar Kilometer streikt mein Auto – ein etwas eigensinniger Twingo. Er bleibt einfach stehen, das macht er manchmal. Ich rufe Heinrich an: „ich weiĂź nicht, ob ich weiterfahren kann.“ „Dann komm ich halt zu dir.“ „Okay, ich melde mich in 5 Minuten noch mal, falls mein Auto nicht wieder will.“ Wir legen auf. Dann kommt er halt zu mir, einfach so. Ohne Umstände. Freude steigt in mir auf. Auf einmal weiĂź ich: So fĂĽhlt es sich an, wenn man jemanden liebt.
Die Antwort auf die Frage lautet also: Nicht verliebt, nicht verlobt, nicht verheiratet, dafĂĽr liebend und geliebt.
© Anita_Wolf 2019-07-02