Verlinxt!

Beate Schilcher

von Beate Schilcher

Story

Das Gute daran? Wenn Sie sich verloren haben, können Sie sich ganz einfach wieder anlegen.

60 Minuten Lebenszeit habe ich darauf verwendet, mein Profil auf LinkedIn anzulegen. Ein möglichst wunderbares Porträtfoto, Hintergrund, Ausbildung und Berufserfahrung. Ich habe meinen Firmennamen eingetragen und wegen des Fehlens der korrekten Bezeichnung innerhalb der automatisch vorgegebenen Liste eine falsche Branche eingegeben. Damit IRGENDWAS dasteht. LinkedIn hat mir dann eine Reihe unbekannter Menschen aus dem falschen Berufsfeld angepriesen. Mit denen hätte ich mich verlinken wollen sollen. Wollte ich nicht. Zumindest konnte ich einer Frau, die mich schon vor Jahren als Kontakt angefragt hat, das Verlinken endlich konfirmieren. Weil ich nun ja tatsächlich auf LinkedIn bin. Ich kenne die Frau nicht. Dafür erhalte ich von jemandem, den ich auch nicht kenne, wöchentlich Seminarangebote aus einem Gebiet, das mich nicht interessiert.

Eine verlinkte Freundin und ich sind uns darin einig, den LinkedIn-Zustand nicht zu „liken”. Und doch sind wir da. Wir sind drauf. Oder drin. Warum bloß? Na ja, ich bin „drin“, weil eine Business Consulterin mir gesagt hat: höllisch riskant, wenn ich das auslasse. Was werden die Leute denken, wenn ich da nicht bin. All die vertanen Chancen. Ganz schlechtes Business Karma.

Mittlerweile habe ich übrigens drei Profile auf LinkedIn. Weil ich mich irgendwann selber nicht mehr gefunden habe, habe ich mich ein zweites, und dann noch ein drittes Mal angelegt. Das funktioniert klaglos. Vermutlich könnte ich mich in einer kleinen Nachtschicht ganz locker verdreißigfachen. Ich habe übrigens auch ein Profil auf Xing. Wieso, weiß ich nicht mehr. Wenn ich mich dort irgendwann einmal wieder finde: werde ich mich wohl selber erkennen? Auf Facebook finde ich mich wenigstens noch wieder. Bis jetzt zumindest. Wer weiß, was die KI noch mit uns vorhat.

Ich frage Sie: Legen all diese Profile ein Zeugnis ab über das eigene Vorhandensein? Ich MAG ja gar NICHT auf LinkedInXing sein. Löschen mag ich mich aber auch nicht. Ich will mir doch nicht mein Karma verschlechtern. Warum verbringen wir Lebenszeit damit, ein Bild von uns zu kreieren, das öffentlichkeitstauglich ist? Nun werden Sie sagen: Weil wir gefunden werden wollen. Also ist es sinnvoll, die eigene fein polierte Image-Zelle im Meer der leuchtenden LinkedInXing-Amöben aufploppen zu lassen. Es gibt mich. Hier bin ich. Ich bin drin. Ich leuchte.

Ja, die digitalen Existenzen werfen Fragen auf. Mein Profil hier wird vermutlich noch aufleuchten, wenn ich längst gegangen bin. Vielleicht erkenne ich mich in der nächsten Inkarnation sogar wieder? Als Hologramm? Wird mich das verwirren? Wird mein Karma verwirrt sein? Woran orientiert sich mein Karma, ob gut oder schlecht, wenn es mehr als eine Version von mir gibt? Vielleicht hat die Frau, die ich nicht kenne, mit der ich aber verlinxt bin, längst das Zeitliche gesegnet. Dann wäre ich mit dem Jenseits verlinxt.

Quantenphilosophisch betrachtet: vielleicht nicht uninteressant.

© Beate Schilcher 2021-02-09

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