von Marianna Vogt
«Wie lange sind wir nun schon da und keiner spricht uns an?», bemerkt Tete und schaut seine zwei Freunde fragend an.
«Sei doch nicht so ungeduldig, Tete. Du musst den Besuchern etwas Zeit geben, die über einhundert Gemälde in aller Ruhe zu betrachten, schließlich erzählen die Bilder Geschichten und brauchen Zeit sie zu bestaunen», entgegnet Bobo mit seiner ruhigen, fast väterlichen Stimme.
«Ja, aber die Leute rechnen bestimmt nicht damit, dass wir nur darauf warten, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen», erwidert Tete fast flüsternd zu sich selbst.
«Da könntest du dich täuschen, Tete. Wir sind schließlich drei Männer von Welt», dabei stellt sich Saidu aufrecht hin und schwellt seine Brust.
«Genau du musst das sagen, Saidu. Du, mit deiner bunten Jacke. Damit fällst du überhaupt nicht auf», dabei rollt Tete mit seinen Augen.
«Das Jackett habe ich extra für diese Ausstellung von meiner Schwester, die Schneiderin ist, machen lassen. Ich finde, dies widerspiegelt am besten unsere Kultur. Afrika ist ein Kontinent voller Farben», dabei streicht Saidu mit seiner rechten Hand behutsam über den weichen Stoff.
«Ich gebe dir recht, wir lieben farbige Kleider, aber trotzdem war ich nicht so mutig. Ich habe mich für dezente Farben, dafür mit wildem Muster entschieden.» Tete lächelt zufrieden.
«Und ich», Bobo zieht genüsslich an seiner Zigarette. «Ich habe gedacht, einmal im Leben will ich auch so einen feinen Leinenanzug tragen. Was meint ihr? Der steht mir doch ausgezeichnet.» Erneut zieht Bobo an seinem Glimmstängel und schaut fragend zu seinen Freunden.
«Nun ja, was soll ich sagen, für unsere Augen schon etwas gewöhnungsbedürftig, aber durchaus sehenswert», antwortet Saidu und blinzelt Tete fröhlich zu.
«Psst, seid still, die ersten Besucher kommen vom Rundgang zurück!», fordert Bobo seine Freunde auf. Er erhebt sich und geht einer Frau freundlich lächelnd entgegen: «Guten Tag, darf ich Sie etwas fragen? Wie hat Ihnen die Ausstellung ‘When we see us’ gefallen?»
«Eine wunderbare Ausstellung und so farbenfroh, wie der Erdteil selbst. Die Kunstwerke machen frohe Laune und man kehrt wohlgestimmt in den doch eher tristen Alltag zurück.»
Wäre ich die Angesprochene gewesen, hätte ich die Aussage noch mit folgenden ‘Bonmots’ ergänzt: «Die Ausstellung der afrikanischen figurativen Malerei der letzten 100 Jahre ist einfach brillant. Ich bin restlos begeistert. Man kann sich nicht sattsehen an den Farben, den Motiven und den ausdrucksstarken Gesichtern. Eine Ausstellung die durchaus zu mehrmaligem Besuch einlädt.
Titelbild: Cornelius Annor (*1990) Accra, Ghana
The Conversation, 2020
Acrylfarbe, Stoff und Transfer auf Stoff und
Leinwand
Courtesy of the Marwan Zakhem Collection
Der Künstler, Cornelius Annor malt Situation von Familien, nicht nur von seiner eigenen, sondern auch von anderen. Er sagt dazu: “I want everyone to see their family in my work.”
© Marianna Vogt 2024-06-02