Vermiss‘ (m)ich

Julia Zerche

von Julia Zerche

Story

Und vielleicht war es an der Zeit, weiterzugehen, weil ich neben mir stand und alles sich summierte zu Fesseln im Verstand. Ich kettete mich an StĂŒcke aus missbrauchten Vertrauen, Hoffnung der Ehrlichkeit und GefĂŒhle der Traurigkeit. Wir waren schon immer Etwas, was man nicht erklĂ€ren konnte, weil das was wir waren keine Worte beschreiben, kein Blatt Papier halten konnte. Wir waren was dazwischen und mein BauchgefĂŒhl lag immer richtig. Ich hĂ€tt‘ dich gerne noch ein einziges Mal aufrichtig wiedergesehen. Wir bewegten uns plötzlich auf einem schmalen Grad zwischen: ‚Was sag ich’ und ‚was mein ich‘. Ich hab nicht mehr dich gesehen, nur das was hĂ€tte sein können und ich verlor mich in den Erinnerungen. Ich verlor mich in den ungesagten Worten. In den Momenten in denen wir lachten. In dem Augenblick, als ich schwieg, obwohl ich so viel zu sagen hatte und merkte, dass es was mit mir machte. Ich verlor mich in der Vergangenheit.

Ich fing an mich zu verlieren zwischen dem, was wir hatten, und haben, was du sagtest, und fragtest, und ich die Wahrheit verbarg. Wir bewegten uns auf einer Grenze, die ich errichtet habe, weil ich mich selbst schĂŒtzen wollte. Vor dir, vor dem Unausweichlichen, vor den Gedanken und mir. Wir verloren uns zwischen: ‚Was ich dir erzĂ€hle‘ und ‚Was ich lieber fĂŒr mich behalte‘, und wir umgingen das Unausgesprochene, weil wir beide zu feige waren, die Wahrheit zu sagen.

Scheiße verdammt, das macht es so schwer zu verdrĂ€ngen, weil ich das kenne. Dich. Und so gut verstehe, weil wir uns so Ă€hnlich sind. Und trotzdem wollte ich dich nicht gehen lassen. Weil, mit dir konnt‘ ich stundenlang lachen. Und bei dir wieder Atmen, als ich drohte zu ersticken. Weil du ein Teil von mir besitzt. Weil, wenn du nicht da warst, ich auch mich vermiss. Weil du meine DĂ€monen halten konntest, und trotzdem selbst das Licht nie verloren hast. Weil du was mit meiner Seele machst. Vielleicht hĂ€tten wir uns nur mal kurz anschweigen mĂŒssen, um zu begreifen, dass wir einander brauchen. Aber vielleicht war das ja zu gedankenraubend.

Ich hasse es, dass wir uns so Ă€hnlich sind, und das ich dich meist mehr verstehe, als mich. Ich hab Angst das ich mich vergesse und wer ich so bin. Mir fehlt was und ich hasse, dass du das hast. Mir fehlt das und ich hasse, dass ich das hier verfass‘. Du fehlst mir und ich hasse, dass diese Worte weh tun. Du fehlst mir und vor allem hass‘ ich, dass die Verbindung gekappt ist. Ich fehl mir und ich bedaure, dass ich all das, was ich gern hassen wĂŒrde, nicht hassen kann. Weil die guten Erinnerungen in dem Kampf gewann‘. Ich fehl mir und am schlimmsten ist, dass du wahrscheinlich in diesem Moment vergisst. Du bist gegangen. Ich hab es zugelassen. Trotzdem hoff‘ ich, dass du mich in manchen Momenten vielleicht auch mal vermisst. Ich weiß, dass wir vergessen wollen, aber verdammt, ich will nicht. Aber ich muss, weil immer zwei dazugehören und du schon vergisst.

Ich bin dankbar fĂŒr dich. Und gleichzeitig: Vermiss‘. Ich. Mich.

© Julia Zerche 2022-07-01

Hashtags