#identitätsbegegnung #zweisamkeit
Ich mag die Farben weiĂź und grĂĽn. Meine Lieblingszahl ist fĂĽnf. Ich kann sehr ehrgeizig und anspruchsvoll sein. Ich bin faul und Iiege auch schon mal mit Genuss den ganzen Tag im Bett. Ich werde auch mal direkter, wenn es sein muss. Ich kann mich fĂĽr vieles begeistern. FĂĽr Musik, den Tanz, die Philosophie und die Moderne.
Ich lebe sehr bodenständig. Ich koche Marmelade ein, die anbrennt, weil ich während des Rührens den Gedanken nachsinne. Aus dem Gemüsegarten hole ich die Zucchini, bringe sie in die Küche und hoble sie dort um die Wette mit meinen Liebsten, um später einen Kuchen daraus zu backen. Ehrgeiz, Disziplin und Kreativität, eine Machenschaft die im Alltag Motivation und Pioniergeist erfordert.
Ich sorge mich um die Zukunft der Kinder und lebe zugleich im Vertrauen der Entwicklung.
Ich liebe das Alte und das Weise. Es führt mich, es tröstet mich und zeigt mir die Richtung. Es gab diese Zeit, da war ich den Toten näher als den Lebenden. Dann stand ich am Friedhof und hab die Ahnen um Rat gefragt. Ich lebe gerne und wenn ich dann leide, dann sehr schwer. Die Schwere bringt mich in die Tiefgründigkeit. Eine Melancholie, in der die Kreativität einen Raum besitzt.
Meine Schmerzgrenze ist mir nahe und ich hatte sie zu weit weggelegt. Meine Träume wurden verschleiert und als das Leben nach mir fragte, verstand ich es nicht.
Ich kann den Frieden spĂĽren. Er ist nach dem Sturm gekommen, der durch meinen Geist und die Psyche tobte.
“Liebe Michelle, ich erreiche nicht viel!”, habe ich zu dir gesagt, weißt du noch, an dem Tag, als du mir mehr über meine Diagnose erklärtest.
“Sehnsucht!”, sagtest du, “du hast Sehnsucht, liebe Anna. Bist du da und er oder es ist dort, dann ist irgendwer oder was am falschen Ort!”
Wie recht du hattest. Ich habe so viel vermisst. “Vermissen!”, sagtest du, “kannst du nur, wenn du dich erinnerst!”
Dieses Mal war es die Zweisamkeit, die sich vor mich stellte und laut posaunte: “Jetzt mach mal bitte diese Türe auf. Ich dachte, du stehst auf Zweierlei?”
Mit dem Zweierlei hatte ich so meine Schwierigkeiten. “Es musste sein!“, hast du wieder mal geantwortet. Die Trennung der Menschheit in zwei biologische Geschlechter, also in Mann und Frau, prägt die Selbstwahrnehmung und das Selbstbewusstsein des Menschen nachhaltig.”
Mir fällt das Handy aus der Hand. War das der Sinn eines schier endlosen Beziehungsgerangels?
“War das notwendig, um des Verstandeswillen und nach dem Motto: „Wer nicht hören will, muss fĂĽhlen?”, habe ich dich gefragt.
Du hast mich wieder mal mit diesem Blick angesehen, der mir sagte: “Du weiĂźt doch Bescheid, liebe Anna! Liebe findet dort statt, wo sie gebraucht wird! Kannst du jetzt den Sinn solcher Begegnungen besser verstehen?“
Ich weiß noch, als ich mich in die olivgrüne Decke kuschelte und weinte. “Ich will nicht mehr vermissen!”, sagte ich zu dir. Du hast eine Kerze genommen, sie angezündet und gemeint: “Wünsche es dir liebe Anna!”
© die kunst der perspektive 2022-08-19