von Sabine Almhofer
Lieber Bob, heuer haben wir bereits mehrere Abende getrennt voneinander verbracht und immer wenn ich weggehe und ich Unverständnis in deinen Augen lese, möchte ich meine Entscheidung am liebsten revidieren und meine Hände in dein weiches Fell vergraben. Trotz meiner ständigen Ambivalenz wirst du noch einen Abend ohne mich verbringen müssen. Weißt du Bob, wir Menschen machen verrückte Sachen, die du niemals verstehen würdest. Ich weiß, dass du jene Verkleidungen die ich dir zu diversen Anlässen zumute, nur erträgst, um mich glücklich zu machen und ich liebe diesen Gedanken sehr. Ich aber gebe gerne einen Abend meine Identität ab, um in eine andere Rolle zu schlüpfen und diese ein paar Stunden unbeschwert zu leben. Schon gut, Bob, ich erinnere dich jetzt nicht an deine Rentier-Identität, auch wenn ICH das Geweih auf deinem Köpfchen sehr knuffig fand.
Du kannst dich vielleicht erinnern, dass ich letztes Jahr lange und mit großer Freude an meinem Kostüm gebastelt habe. Von den auf dem Rock aufgeklebten Herzen haben sich einige leider bereits in der Wohnung selbständig gemacht. Vielleicht wollten sie die Rolle der Klimakleber-Herzen verkörpern, denn von der Hartnäckigkeit, mit der sie sich am Boden festgeklebt haben, können sich andere etwas abschauen. Es waren nicht nur Herzen, sondern auch jede Menge Kartoffelnetze, die ich an meinen Kleidungsstücken und sogar an den Ohrringen befestigt hatte. Und dann? War der Abend zwar großartig und wir haben anlässlich des Geburtstages meiner Freundin abgerockt, bis uns die Puste ausging, aber niemand konnte meine Verkleidung erkennen – auch nicht, nachdem ich mich geoutet hatte. Die Zeit war noch nicht reif für den „NETZFUND“.
Heuer habe ich mir etwas Eindeutigeres ausgedacht. Der rote Faden, der im konkreten Fall in zartes hellbraun gekleidet ist, liegt in der Vernetzung. Ich habe mir rechtzeitig ein schwarzes Kleid gecheckt, das im Alltag niemals tragbar sein wird, wenn wir beide gemeinsam unterwegs sind. Ich habe ein bisschen Angst, dass der von „schwarz“ ausgehende Magnetismus, dich auf Dauer nackig machen könnte und man schließlich MICH als Hund identifiziert.
Das Kleid also und warum schon wieder Netze? Tja, Bob, jeder Fischer wäre neidisch auf „unser“ NETZ-REPERTOIRE. Es war eine lange Kartoffelphase, in der auch viele der Schätze in deinem Napf gelandet sind, weil NIEMAND es schafft deine stummen Bitten abzulehnen. Ja, Bob – dein Frauli scheint hinter der lieben Fassade ziemlich durchgeknallt zu sein und schlau genug, um zu wissen: Die NETZ-ZEIT wird kommen. Um das Kostüm plakativer und „greifbarer“ zu gestalten, werde ich eine bescheidene NETZ-TRENNUNG vornehmen, indem ich sie, mit Herzen gefüllt, verteilen werde und mich von ihnen TRENNE. Mensch Bob, das wird ein fancy Kostüm – würden die jungen Leute sagen. Die Faschingswelt wartet förmlich auf den „NETZVERTEILER“ und die Herzen dürfen sich diesmal an Böden kleben, dessen Reinigungsverantwortung nicht in meinen Händen liegt. Ich bin gespannt!!!
© Sabine Almhofer 2025-02-26