Verstand und Hoffnung

Luisa Kaspar

von Luisa Kaspar

Story

„Ich vergebe dir“, sagte Hoffnung lächelnd. „Als Kind ist hat man leider nicht immer die Möglichkeiten, nach eigenem Willen zu handeln. Und durch meine Einsamkeit heraus habe ich mich auch für eine Weile der Mehrheit angepasst. Es war ein erleichterndes Gefühl sich keine Sorgen mehr über missbilligende Blicke anderer zu machen und endlich einer Gemeinschaft anzugehören. Ich hatte mir eingebildet, nicht mehr alleine zu sein. Doch vor kurzem habe ich gemerkt, dass mein eigentliches Unglück sich als Glück ausgegeben hatte und meine Einsamkeit nur für eine kurze Zeit weg war. Da habe ich beschlossen meinen früheren Lebensweg wieder einzugehen. Ich habe jedoch auch realisiert, dass es in manchen Situationen tatsächlich angebracht ist sich nach der Menge zu richten. Man muss nur für sich selber entscheiden, wann dieser Zeitpunkt ist“.

Verstand war so froh diese Worte zu hören. Sie war genau dieselben Ansichten wie er. Während sie weiter die Demonstration liefen, redeten sie noch eine Weile über die Welt und gingen noch mehr in das Detail über die Wendepunkte in ihrem Leben und warum sie sich für den jetzigen Weg entschieden hatten. Die Demo kam jedoch zu einem abrupten Halt als die Polizei auftauchte und alle anfingen in verschiedene Richtungen davonzurennen. Natürlich hatte die Gruppe nicht die Erlaubnis von der Stadt bekommen diesen Protestzug durchzuführen. Hoffnung und Verstand rannten auch erschrocken los und landeten schließlich in einem kleinen Park und waren dort sicher vor der Polizei. Die beiden schauten sich an und fingen schließlich prustend an zu lachen. Das hielt für eine paar Minuten an. „Das war ein so aufregendes und befreiendes Gefühl“, bekam Verstand schließlich keuchend heraus. Hoffnung stimmte ihr zu.

Nach einer Weile beruhigten sie sich wieder und genossen einfach nur die Natur und Stille im Park. „Glaubst du, dass sich die Welt zum Besseren ändert und Menschen akzeptabler gegenüber anderen werden?“, fragte Verstand plötzlich. Hoffnung dachte einen kurzen Moment darüber nach. „Ich glaube schon“, antwortete er schließlich. „Natürlich liegt noch einer langer Weg vor uns und es wird leider immer Leute geben, welche kein Verständnis für andere Kulturen, Glauben und ähnliches aufbringen können. Doch das ist deren Versäumnis und ich glaube auch nicht, dass solche Menschen wirklich glücklich mit ihrem Leben sind“. Nach dieser Aussage saßen beide in eigenen Gedanken versunken da. Sie hatten lange und schwere Wege hinter sich und waren froh, endlich zufrieden mit ihrem Leben zu sein. Sie wussten zwar auch, dass diese Zufriedenheit nicht immer anhalten würde und sie irgendwann wieder vor einem Scheideweg stehen würden, waren jedoch voller Zuversicht, diesen zu meistern. Denn wenn sie eines im Leben gelernt hatten, dann war es, dass kein Gefühl für immer anhält und sich die eigene Meinung dauerhaft verändern konnte.

Das war jedoch Leben und der Mensch brauchte diese Veränderungen um sich weiterzuentwickeln und zu lernen. Beide blickten voller Vorfreude in die Zukunft und konnten es nicht abwarten, was diese bringen würde. Es würde nicht immer alles perfekt sein, was aber völlig in Ordnung war. Es gibt keine vollkommene Perfektion. Diese wäre auch ziemlich langweilig.


© Luisa Kaspar 2023-09-03

Genres
Romane & Erzählungen