Still kauere ich im Garten meiner Eltern, versteckt hinter Büschen und Sträuchern, darauf bedacht, kein Geräusch von mir zu geben. Ich lausche angestrengt, höre jedoch nur das Zwitschern der Vögel im Baum über mir und das Summen der Bienen um mich herum. Wo ist sie nur? Ob ihr das Spiel zu langweilig geworden ist? Vielleicht sollte ich nachsehen, ob sie aufgegeben hat und mit einem Eis auf mich wartet. Vielleicht ist es aber auch eine Falle und sie wartet nur darauf, dass ich meine Tarnung aufgebe. Das ist das Problem mit Luna: Sie scheut sich nicht davor, andere ordentlich übers Ohr zu hauen. Die anderen in der Schule weigern sich mittlerweile, mit ihr verstecken zu spielen, da es einfach unmöglich ist zu gewinnen. Sie findet dich immer, oder sie wartet, bis du dumm genug bist, deine Tarnung aufzugeben. Das kann ich auf keinen Fall riskieren, verharre also weiter bewegungslos hinter meinem Busch.
Der Rindenmulch des Beetes bohrt sich in meine Knie und langsam werden meine Beine taub, aber ich will noch nicht aufgeben. Ameisen laufen über meine Knöchel und ich muss mich zusammenreißen, um nicht wegzuzucken. Bloß kein Geräusch riskieren. Die Hitze des Sommers ist drückend. Eine Mücke landet auf meinem Arm und ohne nachzudenken, schlage ich nach ihr. Erst als es laut klatscht, bemerke ich meinen Fehler. Nicht weit von mir knacken Äste, Schritte bahnen sich ihren Weg zu mir. Sie hat mich gefunden. Schnell springe ich auf und laufe aus den Büschen hinaus, hetze über die Wiese zum Gartenteich, Luna dicht auf meinen Fersen. „Ich hab dich doch schon lange, Emma“, lacht sie. „Aber du fängst mich nicht.“, kreische ich und umrunde den Teich. Nun stehen wir uns gegenüber, Auge in Auge, nur der Fischteich zwischen uns. Langsam umrunden wir den Teich, lassen die Andere nicht aus den Augen. Irgendwann wittere ich meine Chance und rufe zu ihr rüber: „Am Kirschbaum ist man sicher.“ Ich wetze los über die Wiese, schnell wie der Wind. Fast habe ich den Baum erreicht, da springt Luna in mich hinein und reißt mich mit sich zu Boden. Ihr Gewicht drückt mich ins verdorrte Gras, sie lacht triumphierend „Gewonnen“ und rollt sich anschließend von mir herunter.
Wir blicken hinauf in die Wolken, beobachten ihre Reise am Himmel. „Sieh mal, die da sieht aus wie ein Piratenschiff.“, meint Luna und zeigt hinauf in den Himmel. „Und die da wie ein Drache.“, ergänze ich und zeige auf eine andere Wolke. Ich rolle mich auf den Bauch und blicke zu Luna. Ihr feuerrotes Haar, glänzt in der Sonne und es sieht aus als stände ihr Kopf in Flammen. „Noch eine Runde? Dieses Mal suche ich.“ Luna springt auf und sieht mich streng an. “Aber nicht schummeln! Augen zu und bis 60 Zählen.” “Ja ja. Ich weiß, wie das funktioniert. Und ich schummele nie.”, beteuere ich. Luna lacht nur kurz auf und läuft dann los. Ich schließe meine Augen und beginne zu zählen.
“Achtundfünfzig, Neunundfünfzig, Sechzig. Versteckt oder nicht, ich komme.“, rufe ich und öffne die Augen. Los geht’s!
© Ann-Kathrin Opiolka 2021-03-15