Versteckspiel

Nadine Rüegg

von Nadine Rüegg

Story

Wenn ich mich verstecken will, geht das am besten in einem Buchladen. Niemand von meinen Freunden mag Bücher, wie ich es tue und wenn ich mich einsam fühle oder traurig, gehe ich dahin, worin tausende Welten stehen, als hätten sie auf mich gewartet, um mich zu beruhigen. Durch ihren Duft, ihr Aussehen, ihre Präsenz.

Früher jedoch, als kleines Mädchen, verkroch ich mich unter meiner Bettdecke, genoss die Kühle und Dunkelheit, die sie spendete, wenn man sich frisch eingedeckt hatte. Bekam das Gefühl, unverwundbar zu sein. Sobald das jemand sah – meine Mum oder im seltenen Fall mein Dad – liessen sie mich in Ruhe, als wäre diese Decke nicht nur aus Stoff und Wolle, sondern ein energiegeladener Schutzwall aus der Kraft meines Willens und der Fantasie. Ich konnte mich erheben, in diese Welt des Schutzes. Ich spüre noch immer, wie sie sich fühlte, dieses kleine Mädchen und auch, wie sie sich selbst von aussen betrachtete, um sich von der Welt noch weiter zu entfernen.

So sehe auch ich mich, wenn ich in mich selbst gehe und an meinen inneren Kern appelliere, etwas zu tun. Mein inneres Kind ist verängstigt, versteckt sich, es kennt und weiß nichts von dieser Welt, noch will es das Bekannte verlassen. Es ist unschuldig. Rein. Doch meist nur von kurzer Dauer. Ein Teil von uns, den sich niemand austreiben sollte, denn dieses Kind ist noch immer ein Teil eines Ganzen. Die Unschuld, welche dieses Kind ermöglichte, wurde zerstört durch törichte Handlungen und Verleumdungen. Jeder war mal Kind, jeder war mal rein. Doch der wirkliche Fehler vermag zu sein, solches als Dummheit zu bezeichnen, es abzuwerten, als hätten wir es nicht gebraucht, um uns so weit zu entwickeln. Jeder Schmerz und alle Aktionen, die wir starten, basieren auf uns selbst, in der jüngeren Version, als wir uns entschlossen hatten, zu sein. Und: als wir entschlossen, wer wir sein wollten.

Wie komisch es aus sein mag. Schlussendlich verstecken wir uns alle immer noch in uns selbst. Denn da können wir die Möglichkeit ergreifen, unser inneres Kind zu trösten und somit und uns selbst. Doch, wenn man das innere Kind verliert, wer gibt einem vor, wenn man traurig sein sollte? Wer sagt einem, dass man sich über noch so scheinbar banales freuen soll? Und wer lässt uns hinterfragen, ob alt bekanntes denn auch richtig ist? Müssen wir nicht einfach lernen, mit unserem inneren Kind zusammen einen Weg der Gleichheit zu beschreiten, in dem wir beide voneinander lernen und zu einem neuen Dritten werden?

© Nadine Rüegg 2022-03-15

Hashtags